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30.04.2024, 01:04 Uhr

Niedriglöhne fördern Zeitarbeit fördert Niedriglöhne

  • 16.05.2007
  • Allgemein

Der "Informationsdienst Wissenschaft" veröffentlicht die Erkenntnisse einer Studie über die boomende Zeitarbeit: Ursache ist weniger die anziehende Konjunktur, als die Ausweitung von Niedriglöhnen seit der Lockerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.

Der gemeinnützige Informationsdienst <link http: idw-online.de pages de aboutus _blank>idw, dem fast 700 Hochschulen angeschlossen sind, berichtet in einer <link http: idw-online.de pages de news201300 _blank>Pressemitteilung, dass in Deutschland im Jahr 2006 mit 600.000 fast doppelt so viele Zeitarbeitskräften beschäftigt waren wie 2003. Für 2007 erwartet man eine Steigerung um weitere 20 Prozent. Das <link http: www.iaq.uni-due.de _blank>Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen hat herausgefunden, die Politik habe mit der Lockerung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes vor drei Jahren die "Schleusen geöffnet", also die die Ausweitung der Niedriglöhne gefördert und das "Lohnniveau insgesamt unter Druck" gesetzt.

Selbe Arbeit, halber Lohn

"Es ist ein altbekanntes Phänomen, dass Zeitarbeit bei einem Konjunkturaufschwung besonders stark wächst. Die enormen Zuwächse in der letzten Zeit dürften aber auch damit zusammenhängen, dass die Tariflöhne in der Zeitarbeit deutlich unter denen der betroffenen Branchen liegen, in denen Zeitarbeit traditionell stark genutzt wird", fasst die Leiterin der Abteilung Flexibilität und Sicherheit des Insituts zusammen. Die tariflichen Einstiegslöhne in der Zeitarbeit liegen demnach in Westdeutschland bei rund 7 Euro pro Stunde, während etwa in der Metallindustrie für eine Hilfskraft im Lagerbereich mindestens 10,70 Euro bezahlt werden - rund die Hälfte mehr. Obwohl die Zeitarbeitsunternehmen natürlich für die Bereitstellung von Personal Zuschläge auf die Stundenlöhne erheben, sind Zeitarbeitskräfte für die Unternehmen dadurch z.T. erheblich günstiger als eigenes Personal.

Ausnahme wird Regel

Als Ausgleich für die Lockerung von Beschränkungen bei der Zeitarbeit sieht das Gesetz eigentlich vor, dass Zeitarbeitskräfte genauso viel verdienen müssen wie vergleichbare Beschäftigte in den Einsatzunternehmen: Der Haken bei der Sache: wird ein für die Zeitarbeit gültiger Tarifvertrag angewandt, greift diese Klausel nicht. In der Folge wurden seit 2003 etliche Tarifverträge abgeschlossen, so dass sich heute fast alle Zeitarbeitsunternehmen an einem davon orientieren. Damit ist die Ausnahme zur Regel geworden, "Entlohnung und Arbeitsbedingungen geraten auch bei anderen Arbeitsverhältnissen in anderen Branchen unter Druck." Dass Zeitarbeitskräfte in Deutschland anders als in den meisten anderen Ländern ohne Befristung im selben Betrieb eingesetzt werden dürfen, erhöht laut nach Einschätzung des Instituts den Anreiz, auf Zeitarbeitskräfte zurückzugreifen.

Vom regulären zum Zeitarbeitsplatz

Zu guter Letzt breitet sich ein weiterer Trend aus, der branchenübliche Standards untergräbt: Zunehmend  gründen Unternehmen eigene Tochterfirmen, in denen sie Zeitarbeitstarife anwenden, ohne Zuschläge an ein fremdes Zeitarbeitsunternehmen zu zahlen. Neue Stellen entstehen dadurch nicht, es geht vielmehr um die Umwandlung regulärer Arbeitsplätze in Zeitarbeitsplätze.

Das Fazit der Studie wirft aus all diesen Gründen eine Frage auf, die man sich auch bei den Gewerkschaften schon länger stellt: Die nämlich, "ob die Politik bei der Lockerung der Zeitarbeitsregulierung nicht weit über das Ziel hinaus geschossen ist."