Siemens Dialog
https://www.dialog-igmetall.de/nachrichten/schutz-gegen-lohnkonkurrenz
26.04.2024, 12:04 Uhr

Schutz gegen Lohnkonkurrenz

  • 21.02.2011
  • Allgemein

Ab dem ersten Mai öffnet sich der deutsche Arbeitsmarkt für Jobsuchende aus den mittel- beziehungsweise osteuropäischen EU-Ländern. Sollen faire Bedingungen für Zuwanderer wie Einheimische herrschen, sind politische Schritte für gesetzliche Mindestlöhne und eine erneuerte Entsenderichtlinie erforderlich.

Schrittweise Öffnung der Arbeitsmärkte<br>(Grafik zum Vergrößern anklicken)

Migrationsschub ab Mai

Wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (<link http: www.boeckler.de _blank external-link-new-window wsi>undefinedWSI) der Hans Böckler-Stiftung in seiner aktuellen Information "<link http: www.boeckler.de _blank external-link-new-window impuls>undefinedImpuls" (Ausgabe 3/2011) hinweist, endet im Mai die Übergangszeit, in der die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Polen, Tschechen, Slowaken, Slowenen, Ungarn und Balten eingeschränkt wurde. Das WSI erwartet wie die große Masse aller Experten aufgrund des Lohngefälles in der EU dann "einen weiteren Migrationsschub".

Wenig Geld und schlechte Bedingungen

Dieser Migrationsschub könnte ohne gravierende gesamtwirtschaftliche Lohn- und Beschäftigungseffekte bleiben, wie ein Vergleich des <link http: www.iab.de _blank external-link-new-window iab>undefinedIAB mit ähnlichen Situationen zeigt. Die Zuwanderung von Arbeitskräften muss demnach nicht immer Lohndruck und Arbeitsplatzverluste erzeugen, so die Forscher. Grundsätzlich ist ab Mai dennoch damit zu rechnen, dass Unternehmen die Bereitschaft der Zuwanderer ausnutzen werden, für wenig Geld und zu schlechten Bedingungen zu arbeiten. Als Beispiel dient Großbritannien: Dort arbeiten Mittelosteuropäer oft für Niedriglöhne, die etwa 2009 um ein Drittel unter den einheimischen lagen.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort

Um unkontrollierte Auswüchse zu verhindern, ist nach Auffassung der Wissenschaftler staatliche Regulierung nötig: "Für Deutschland steht mit dem Wegfall der Übergangsregelungen einmal mehr die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns auf der Tagesordnung, da ansonsten in vielen Branchen gerade für Migranten keine verbindlichen Lohnuntergrenzen existieren", bringt es ein WSI-Mitarbeiter auf den Punkt. Die entscheidende Bedingung - gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort - könnte in Deutschland wie anderswo über einen gesetzlichen Mindestlohn geschaffen werden.

Entsenderichtlinie auf dem Prüfstand

Ein zweiter wesentlicher Faktor ist eine Revision der Entsenderichtlinie, auf deren Grundlage nach Schätzungen gut 1,5 Millionen Arbeitskräfte in der EU außerhalb ihrer Heimatländer arbeiten. Mindeststandards für Entlohnung und Arbeitsbedingungen legen in Deutschland Branchen-Mindestlöhne fest; der Europäische Gerichtshof jedoch interpretierte die in der Richtlinie aufgelisteten Schutzbereiche als Maximalbestimmungen, die nicht überschritten werden dürften. Will man den Missbrauch der Arbeitnehmerfreizügigkeit als Mittel für grenzüberschreitendes Lohndumping verhindern, wäre daher eine Revision nötig, wie sie unter anderem der Europäische Gewerkschaftsbund fordert. Mit ihr könnte man die Bestimmungen ausdrücklich als Mindeststanddards definieren - oder gleich von vornherein klare Schutzbereiche definieren.