Siemens Dialog
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01.05.2024, 13:05 Uhr

"Wer aufmuckt, ist raus"

  • 03.08.2006
  • Allgemein

Massiver Einsatz von Leihkräften ermöglicht Unternehmen viel Flexibilität ohne "lästige" Personalverantwortung. Bei unliebsamen Nachfragen verweist man mit bedauerndem Schulterzucken auf die verantwortliche Zeitarbeitsfirma - Beispiel SHC.

Die Bocholter Telefonfertigung der Siemens Home and Office Communications Devices GmbH ist, beispielsweise während des Weihnachtsgeschäfts, hohen Auslastungsschwankungen ausgesetzt. Dann steigt die Anzahl der Kolleginnen und Kollegen aus Zeitarbeitsfirmen auf rund 200 an, aber auch übers Jahr pendelt sie am Standort um 70. Das Gros stellt der Branchenriese "<link http: www.manpower.de index.htm _blank>Manpower", der auch in seinen <link http: www.manpower.de index.htm _blank>Referenzen stolz auf Siemens verweist.

 

"Motiviertere und produktivere Arbeitswelt"?

Unter der Überschrift "Gesellschaftliche Verantwortung" erklärt Manpower unter anderem, "entsprechend unserer weltweit gültigen Wertephilosophie handeln wir im Gemeinschaftssinn unserer Gesellschaft" und betont, einen "vielschichtigen und umfassenden Arbeitsmarkt zu entwickeln" sowie den sozialen Zusammenhalt ebenso zu fördern wie "Work-Life-Balance Projekte, die individuelle Bedürfnisse berücksichtigen, um eine motiviertere und produktivere Arbeitswelt zu schaffen."

Das klingt gefällig - nur entspricht es offenbar leider nicht überall der Wirklichkeit. Beispiel Bocholt: Nach einem <link http: www.bbv-net.de public article lokales bocholt _blank>Bericht des "Bocholter Borkener Volksblatts" haben manche KollegInnen in der SHC-Telefonfertigung den sechsten oder siebten Arbeitsvertrag innerhalb von zwei Jahren. Manpower kommt auf diese Weise dem Wunsch von SHC nach bereits eingearbeiteten Kräften nach, ohne längerfristig die Verantwortung für einen Menschen zu übernehmen, die auch SHC selbst auf diese Weise möglichst weit von sich schiebt.

Mensch als Ware

Der erste Bocholter IG Metall-Bevollmächtigte Heinz Cholewa kritisiert an diesem Trend zu immer mehr Zeitarbeit, dass sie Menschen zu einer billig verfügbaren Ware reduziert. Die betroffenen Leiharbeiter können sich dagegen kaum wehren, "denn wer aufmuckt, ist sofort raus". Manpower ist dabei nicht etwa ein schwarzes Schaf, sondern verfährt nach üblichen Methoden der Zeitarbeitsbranche, so Cholewa weiter. Der Trend nicht nur bei Siemens geht dahin, einen möglichst großen Teil der Belegschaft nicht fest oder befristet zu beschäftigen, sondern statt dessen Leiharbeiter anzufordern. Zuständig ist damit nicht die Personalabteilung, sondern der Einkauf - "der Mensch wird zur Ware, von der man sich problemlos wieder trennen kann."

Letztlich verantwortlich für die wenig imagefreundliche Praxis in Bocholt mag erwartungsgemäß weder Manpower noch SHC sein. Die Zeitarbeitsfirma begründet gegenüber der Zeitung die häufigen Kündigungen und Wiedereinstellungen mit "extrem kurzfristigen und sprunghaften" Anfragen des Kunden. SHC wiederum erklärt, man könne den Umgang der Zeitarbeitsfirmen mit ihren Mitarbeitern nicht über die Einhaltung von deren Tarifverträgen hinaus beeinflussen. Leidtragende sind die Zeitarbeiter, die sich praktisch im Quartalsrhythmus mit der Ungewissheit konfrontiert sehen, ob sie ein erneut weiterbeschäftigt werden oder auf der Straße landen.