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02.05.2024, 21:05 Uhr

Ausbildungsbilanz zwiespältig

  • 14.10.2009
  • Jugend

Politik und Wirtschaft bejubeln anlässlich der jüngesten Ausbildungsstatistik den angeblichen Erfolg des Ausbildungspaktes, der ihnen zufolge selbst in der Krise für eine gute Gesamtsituation sorgt. Die allgemeinen Lobeshymnen klingen allerdings blechern: Die Statistik ist unverkennbar auf das gewünschte Ergebnis hin zurechtgebogen.

Lehrwerkstatt bei Siemens: gut, wenn man drin ist.

Konzertiertes Eigenlob

Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeber- und Industrieverbände, Wirtschafts-, Arbeits- und Bildungsministerium - alle loben in einer gemeinsamen <link http: www.arbeitsagentur.de nn_27030 zentraler-content pressemeldungen presse-09-073.html _blank external-link-new-window>undefined Pressemitteilung vom Dienstag, trotz ungünstiger konjunktureller Entwicklung im Jahr 2009 sei "eine gute Vermittlung von Jugendlichen in Ausbildung gelungen". Die "Paktpartner", also sie selbst, stünden auch in diesen schwierigeren Zeiten zu ihrer Zusage, "jedem ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zu machen." Den jüngsten aktuellen Daten der BA zufolge gelinge dies erneut: "Ende September gab es erneut mehr unbesetzte Berufsausbildungsstellen als unversorgte Bewerber."

Demografischer Dämpfer

Die konzertierte PR-Offensive erzielt den gewünschten lautstarken Widerhall in den Medien. Bei näherem Hinsehen allerdings erhält der allgemeine Enthusiasmus bereits den ersten Dämpfer: Hauptursache für den Begeisterungssturm ist ein demografischer Faktor, der mit den angeblichen Anstrengungen des Paktes wenig zu tun hat. Der Rückgang der Bewerber fiel gegenüber dem Vorjahr beinah doppelt so stark aus, was den eigentlich wenig erfreulichen Rückgang der gemeldeten Ausbildungsstellen um über sieben und der abgeschlossenen Ausbildungsverträge um über sechs Prozent auffing.

Das unbekümmerte Fazit der BA lautet vor diesem Hintergrund: "Im Ergebnis gab es Ende September noch 17.300 unbesetzte Berufsausbildungsstellen, 2.300 weniger als vor einem Jahr. Ihnen standen noch 9.600 unversorgte Bewerber gegenüber. Das sind 4.900 weniger als im Vorjahr."

‚Es kann nicht sein, was nicht sein darf’

Bei DGB, IG Metall und nicht zuletzt bei leer ausgegangenen Betroffenen stößt der selbstgefällige Jubel der "Paktpartner" auf Unverständnis und scharfe Kritik. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock <link http: www.dgb.de presse pressemeldungen pmdb _blank external-link-new-window>undefinedfasste zusammen, die der Ausbildungspakt habe wieder eine "frisierte Bilanz" vorgelegt: "Frei nach dem Motto ‚Es kann nicht sein, was nicht sein darf’ wird die Statistik schöngerechnet. So wird die wahre Lage auf dem Ausbildungsmarkt systematisch verschleiert."

Geschönt, frisiert, bequem gerechnet

Der seit seiner Einrichtung zur Vermeidung einer Ausbildungsabgabe im Jahr 2004 stets umstrittene Pakt stellt in der Tat jedes Jahr aufs neue eine entspannte Lage auf dem Ausbildungsmarkt dar. Dennoch haben rund 1,5 Millionen Menschen im Alter von 20 bis 29 Jahren keine abgeschlossene Ausbildung, stolze 15 Prozent dieser Altersgruppe. Wie auch bei den Arbeitslosenzahlen liegen die Ursachen des offenkundigen Widerspruchs vor allem in unverkennbar ergebnisorientierten Zählweise.

Traue keiner Statistik, ...

Jugendliche in Warteschleifen etwa fallen aus den Zahlen heraus, obwohl sie eben keineswegs versorgt sind - derzeit betrifft dies über 73.000. Nähme man sie ehrlicherweise in die Statistik herein, vervielfachte dies die Zahl der unversorgten BewerberInnen mit einem Schlag von knapp 10.000 auf 84.000.

... die du nicht selbst zurechtgebogen hast

Darüber ignorieren die offiziellen Zahlen aufgrund der so dehnbaren wie bequemen Formulierung vom "ausbildungswilligen und -fähigen Jugendlichen" alle Lehrstellensucher, die per Dekret als "nicht ausbildungsreif" eingestuft werden. Damit werden sie nicht nur zu "BewerberInnen zweiter Klasse", sondern veschwinden auch auf unbestimmte Zeit aus der Berechnung von Lehrstellensuchern - mehr als bequem für die Legitimationsarbeit des Ausbildungspaktes.

Zukunftserwartungen der Branchen nicht erfüllt

Auch IG Metall-Vorstandsmitglied Regina Görner <link http: www.igmetall.de cps rde xchg internet style.xsl _blank external-link-new-window>undefinedbezeichnet die Bilanz des Ausbildungspaktes ohne Umschweife als "nachweislich falsch". Die vom DGB geäußerte Kritik ergänzte sie mit dem Hinweis, das Ziel eines von 2008 auf 2009 erhaltenen Ausbildungsniveaus sei nicht erreicht worden. Negativ sind darüber hinaus Details aus Berechnungen der IG Metall im Bereich der Fertigungsberufe: 190.000 Bewerbern standen nur 179.000 Angebote gegenüber, der Rückgang an Ausbildungsstellen lag hier mit 9,3 Prozent deutlich über dem Durchschnittswert aller Ausbildungsberufe. "Angesichts des steigenden Qualifikationsbedarfs im gewerblich-technischen Bereich nach Facharbeitern und Ingenieuren ist das Ergebnis enttäuschend und wird den Zukunftserwartungen der Branchen nicht gerecht", erklärte Görner.