Siemens Dialog
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18.04.2024, 15:04 Uhr

Vor zehn Jahren in Bad Neustadt:

Die Rhön stand auf

  • 31.01.2020
  • Operativ

Ein wichtiges Ereignis in der jüngeren Siemens-Geschichte jährt sich 2020 zum zehnten Mal: Der erfolgreiche Kampf der Siemensianer in Bad Neustadt um die Zukunft ihres Standortes. Für die IG Metall Schweinfurt und die Metaller*Innen bei Siemens Grund genug, um mit Stolz auf die damaligen Ereignisse zurück zu schauen und den Blick für aktuelle Herausforderungen zu schärfen.

Stumme Zeitzeugen in der Dokumentation.

Damalige und heutige Akteure rund um Siemens in Bad Neustadt.

An der Jubiläumsveranstaltung am 28. Januar in der Bad Neustädter Stadthalle nahmen 250 ehemalige und heutige Beschäftigte, Betriebsräte und Vertrauensleute sowie weitere geladene Gäste aus dem Gesamtbetriebsrat und der Werksleitung teil.

Zur Erinnerung: Ende Januar 2010 verkündete der damalige Siemens-Vorstand seinen Plan, am Standort Bad Neustadt insgesamt 840 Arbeitsplätze abzubauen und erhebliche Teile der Fertigung von Elektromotoren nach Osteuropa zu verlagern. De facto hätte die Umsetzung dieses Vorstandsbeschlusses den Standort halbiert und letztlich an den Rand seiner Existenz gebracht. Die mittelbaren Auswirkungen auf die gesamte Region wären verheerend gewesen.

Doch der Vorstand hatte seine Rechnung ohne die Siemensianer und die IG Metall gemacht. Ihnen gelang es innerhalb kürzester Zeit, in ihrem leidenschaftlichen Widerstand die gesamte Rhön hinter sich zu vereinen. Allein am 10. Februar 2010 demonstrierten auf dem Marktplatz von Bad Neustadt zwischen 8.000 und 10.000 Menschen für den Erhalt der Arbeitsplätze und eine nachhaltige Perspektive des Siemens-Standortes. Einen weiteren Höhepunkt fand die Bewegung am 28. April 2010 mit einer Kundgebung vor der Münchner Konzernzentrale in bis dahin nicht gekanntem Ausmaß: Rund 3.500 Beschäftigte, die meisten von ihnen über hunderte Kilometer mit Bussen angereist, demonstrierten eindrucksvoll auf dem Wittelsbacherplatz.

Der Widerstand mündete schließlich in eine Lösung, die nicht nur eine deutliche Reduzierung der ursprünglich geplanten Abbauzahlen vorsah, sondern auch mit konkreten Zukunftsperspektiven und Investitionen in den Standort verbunden war. Hinzu kamen verbindliche Zusagen seitens der Landesregierung für ein Technologiezentrum in der Region sowie für Bad Neustadt als Modellregion für Elektromobilität. In der Folge führte auf diesem Wege der massive und klug geführte Aufstand der Rhöner zu einem gewaltigen Innovationsschub in der Region; der Siemens-Standort in Bad Neustadt war nach der Auseinandersetzung faktisch stärker als je zuvor.

Im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung erinnerten ehemalige und amtierende Verantwortliche an die eindrucksvolle Auseinandersetzung, die längst einen festen Platz im kollektiven Gedächtnis und Herzen vieler Metallerinnen und Metaller bei Siemens auch weit über Bad Neustadt hinaus eingenommen hat. Neben den beiden Bevollmächtigten der IG Metall Schweinfurt, Peter Kippes und Thomas Höhn, sowie dem amtierenden Betriebsratsvorsitzenden Oliver Mauer und der GBR-Vorsitzenden Birgit Steinborn, nahmen auch der damalige Betriebsratsvorsitzende Bernhard Omert, der ehemalige VK-Leiter Werner Schmitt, die damalige JAV-Vorsitzende Ann-Kathrin Streit, der ehemalige GBR-Vorsitzende Lothar Adler sowie der damalige Betriebsbetreuer Jens Öser aus der IG Metall-Geschäftsstelle Schweinfurt teil. Darüber hinaus waren der Landrat, der Bürgermeister sowie der ehemalige und der heutige Werksleiter von Siemens Bad Neustadt sowie der Werksleiter des hiesigen ValeoSiemens-Standortes geladene Gäste auf dem Podium.

Im Rahmen mehrerer Runden nutzten die Gesprächsteilnehmer*Innen die Gelegenheit, um neben dem erinnernden Blick zurück auch über aktuelle Herausforderungen des Standortes, der inzwischen neben dem Siemens AG-Betrieb auch einen produzierenden Standort des Joint Venture ValeoSiemens umfasst, zu sprechen. Dabei betonten die Beteiligten den Stellenwert der fortschreitenden Digitalisierung industrieller Produkte, Prozesse und Verfahren mit allen Chancen und Risiken für die Beschäftigten auch in Bad Neustadt. Für den Betriebsratsvorsitzenden Oliver Mauer geht es gerade in diesem Zusammenhang darum, den Geist der Solidarität von damals wieder aufleben zu lassen. Schließlich habe genau diese Haltung sich eingedenk der damaligen Geschehnisse schon einmal als notwendig und hilfreich erwiesen, als es darum ging, die Arbeitsplätze zu erhalten und die Innovationskräfte für die Zukunftsfähigkeit des Standortes freizusetzen.

Zusammenfassend lässt sich aus der Perspektive der Teilnehmenden berichten: Eine würdige, kurzweilige und interessante Veranstaltung, in der die Erfolge von gestern gefeiert und der Blick für die Zukunft geschärft wurde.


» die Veranstaltung auf den Facebook-Seiten der IG Metall Schweinfurt
» Video-Clip über den Widerstand 2010 / Facebook-Seiten der IG Metall Schweinfurt