Siemens Dialog
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16.05.2024, 05:05 Uhr

Globalisierung in der Economy Class

  • 27.06.2008
  • Konzern

Siemens expandiert bekanntlich bienenemsig in Indien. Viele Maßnahmen dienen nicht nur der Markterschließung, sondern vor allem der Kostensenkung per Verlagerung bestehender Aktivitäten. Siemens IT Solutions and Services nimmt hier eine Vorreiterrolle ein - und unterstreicht seinen eisernen Sparwillen durch ein Stellenangebot, bei dem man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Soviel sollte schon drin sein...

Die Fachabteilung SIS GO GAA GCF RM veröffentlichte Mitte Juni eine Anzeige für Praktikanten (Jobnummer GER 61971). Zu besetzen ist eine Praktikumsstelle am Standort Nürnberg für jeweils fünf Monate, der Einsatzort ist das indische Kalkutta.

Anspruchsvolle Tätigkeit...

Die Tätigkeit umfasst "Vorbereitung und Durchführung von Trainings und Workshops zu sprachlichen Themen (Phonetik, Hörverstehen, Satzbau)". Hinzu kommt die Mitwirkung an der Organisation weiterer Veranstaltungen zur Verbesserung der Sprachqualität der indischen Mitarbeiter, Kleingruppenkurse, Korrekturarbeiten, Tests und dergleichen mehr. Gesucht werden für diese durchaus anspruchsvolle Aufgabe StudentInnen der Germanistik oder solche, die einen Studiengang im Bereich Deutsch als Fremdsprache belegen und  didaktische Kenntnisse sowie erste Erfahrungen im Unterricht haben.

... für anspruchslose Praktikanten

So weit, so gut. In Anlehnung an eine bekannte Werbung möchte man fragen "Wo ist der Haken?" Der Haken sitzt in dem, was Siemens beziehungsweise SIS möglichen Bewerbern für ihre Dienste anbietet. "Ohne Tarif/Tarifungebunden" steht im Kopf der Ausschreibung, eine "Eingruppierung", die Siemens trotz verbreiteter Kritik immer noch vielen Praktikanten überstülpt. In diesem Fall jedoch ist "Ohne Tarif" ganz wörtlich zu nehmen, denn: "Wir bieten: Hin- und Rückflug (Economy Class), Möblierte Wohnung."

Das war’s. Eine weitere Vergütung ist nicht vorgesehen. Vielleicht orientieren sich die Verantwortlichen übungshalber schon einmal an den Verhältnissen, die sie sich in Indien erwünschen; vielleicht sind sie auch der Ansicht, dass eine Reise um die halbe Welt und fünf Monate in Kalkutta - immerhin ist die Wohnung möbliert - den Job für Studenten so attraktiv machen, dass sich die ansonsten bei deutschen Unternehmen übliche Bezahlung erübrigt. Man weiß es nicht, denkt aber unwillkürlich: Um wenigstens die Grundversorgung des Praktikanten zu gewährleisten, sollten drei Schalen Reis pro Tag schon drin sein.

Empörung beim Betriebsrat

Wie eingangs erwähnt: Man weiß kaum, ob man lachen oder weinen soll. Der Nürnberger Betriebsrat allerdings weiß genau, dass er über dieses Vorgehen keineswegs lachen kann und prüft derzeit, so der Vorsitzende Siegfried Gleißner, rechtlich gegen eine derartig unverschämte Praktik vorzugehen.