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29.04.2024, 08:04 Uhr

Hartz IV: Eiskalt klein gerechnet

  • 06.09.2011
  • Allgemein

Ab 2012 sollen nach viel Hin und Her die Regelsätze für Hartz IV-Empfänger steigen - um magere zehn auf dann 374 Euro. DGB und IG Metall kritisieren nun auf Basis wissenschaftlicher Studien, dass das zugrundeliegende Verfassungsurteil damit nicht sachgerecht, sondern vor allem mit Blick auf den Haushalt umgesetzt wird.

Erwachsene Hartz IV-Empfänger sollen nach Aussage des Bundesarbeitsministeriums kommendes Jahr über den festgelegten Anstieg um drei Euro hinaus einen Inflationsausgleich von sieben Euro erhalten; der Satz für Kinder unter sechs Jahren steigt dann um vier auf 219 Euro, alles andere bleibt beim alten. Die Mehrkosten bleiben mit insgesamt 570 Millionen Euro pro Jahr für Bund und Kommunen ebenso überschaubar, wie der reale Nutzen für die Empfänger.

Verstoß gegen verfassungsrechtliche Vorgaben

Die Hans Böckler-Stiftung stellte dazu am Montag die <link http: boeckler.de _blank external-link-new-window hbs>undefinedErgebnisse zweier Studien vor, die erhebliche Bedenken an der Ermittlung der neuen Regelsätze wecken.Das rechtswissenschaftliche Fazit: "Die neuen Regeln zur Bestimmung des Hartz-IV-Satzes verstoßen in wesentlichen Punkten gegen verfassungsrechtliche Vorgaben." Ursache ist offenbar eine ganze Reihe methodische Fehler, die sich von der Abgrenzung der Vergleichsgruppe bis hin zu einer verspäteten Einberechnung der Preissteigerung.

DGB fordert Korrektur

Der <link http: www.dgb.de presse _blank external-link-new-window dgb>DGB sieht dadurch seine Auffassung gestärkt, dass die Regelsätze verfassungswidrig bleiben, so Vorstandmitglied Annelie Buntenbach: "Das Anfang des Jahres im Vermittlungsausschuss gefundene Kompromissergebnis bleibt hinter den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts deutlich zurück." Sie sieht den Gesetzgeber in der Pflicht, den tatsächlichen Bedarf schleunigst methodisch sauber zu ermitteln und schlägt dazu eine Überprüfung der Basisdatendurch eine unabhängige Expertenkommissionvor. In der Zwischenzeit erhalten betroffene Gewerkschaftsmitglieder über den DGB-Rechtsschutz Unterstützung, wenn sie sich auf dem Rechtsweg wehren wollen.

Kasse statt Verfassung

Auch die IG Metall hat Musterprozesse angekündigt, um bedarfsgerechte und existenzsichernde Leistungen durchzusetzen, die mit den angehobenen Regelsätzen weiter unerreicht bleiben. Ihr geschäftsführendes Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban stellt fest: "Es ist offensichtlich, dass bei der Neuregelung der Hartz IV-Leistungen die Kassenlage und weniger die Verfassungslage maßgeblich war. Das methodische Hakenschlagen bei der Bedarfsberechnung zeigt nach Meinung der IG Metall: "Der Gesetzgeber hat mit statistischen Tricks die Regelsätze eiskalt klein gerechnet."