- so oder ähnlich lauteten die Titel erster Meldungen zur Hauptversammlung. Wie das nun zusammenpassen soll, fragen sich wohl viele Siemensianer, die erst am Donnerstag erfahren werden, was Peter Löschers Ankündigung "punktueller Maßnahmen" konkret für sie bedeutet. Vor der Versammlung protestierten unterdessen rund 350 Siemens-Beschäftigte, die schon länger wissen, was auf sie zukommt.
Viel Aufmerksamkeit trotz Schnee und Kälte
Die Siemensianer, überwiegend aus den Bereichen S.A.T. in Erlangen sowie EDM in Erlangen und München, begrüßten mit ihrer Kundgebung vor der Münchner Olympiahalle die eintreffenden Aktionäre. Dichtes Schneetreiben und Kälte hatten das zur Hauptversammlung übliche Medienaufgebot nicht verkleinert, und so stieß die Kundgebung auf ein reges Echo.
Sibylle Wankel, Tarifsekretärin der IG Metall Bayern und Aufsichtsratsmitglied der Siemens AG, ermutigte die DemonstrantInnen: "Das Wetter hat uns nicht davon abbringen können, dass ihr zeigt, was ihr von der so genannten Portfolio-Politik haltet. Drinnen in der Olympiahalle wird vom Vorstand wohl wenig über Arbeitnehmerrechte zu hören sein. Deswegen müssen wir das jetzt tun."
Portfolio-Politik mit Schaden für Beschäftigte und Unternehmen
Die Kundgebung richtete sich gegen die Auswirkungen der vom Management vornehm als "aktive Portfolio-Politik" bezeichneten Maßnahmen, denen Stück für Stück immer mehr Geschäftszweige zum Opfer fallen - und zwar mit oft mehr als zweifelhaften wirtschaftlichen Argumenten. Wolfgang Niclas, 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Erlangen, fasste zusammen: "Siemens verkauft Tafelsilber und wichtige Konzernstrukturen. Die Siemens Audiologische Technik hat in den letzten Jahren eine kontinuierliche Kapitalrendite von deutlich über 20 Prozent erwirtschaftet. EDM ist ein passgenau in die Konzernstrukturen integrierter ertragreicher Bereich. Portfolio-Politik wird bei Siemens zum Synonym für den Verkauf ertragreicher Unternehmensbereiche zu Lasten der Mitarbeiter. Dagegen protestieren wir mit dem Ziel, Schaden von den Betroffenen und Siemens abzuwenden!"
Widerstand lohnt sich
Niclas betonte, dass der Widerstand der Arbeitnehmerseite sich trotz aller Mühen und oft ungewissem Ausgang letzlich immer lohnt: "Unsere Proteste zeigen Wirkung! Die EDM Abtrennung konnte zum 1.12.09 nicht durchgezogen werden und wird zum 1.4.10 nicht erledigt werden können. Die Zeitverzögerung hilft. Bei der SAT kann Siemens nicht länger im Dunkeln agieren und wird die Verkaufspläne offenlegen müssen. Dann werden einige Herren auch die Frage beantworten müssen, weshalb man diese medizintechnische Ertragsperle verkaufen will. Und in beiden Fällen gilt: Vielleicht können mit dem Protest die Verkäufe nicht verhindert, aber mit Sicherheit die Verkaufsbedingungen für die Beschäftigten verbessert werden."
Günther Prietz, Betriebsratsvorsitzender der Siemens-Niederlassung München, zu der auch der EDM-Standort gehört, mahnte Siemens im Zusammenhang mit den Compliance-Anstrengungen, Artikel 103 der bayerischen Verfassung nicht aus den Augen zu verlieren: "Eigentum soll auch dem Gemeinwohl dienen."
Überraschend hoher Gewinn im ersten Quartal
Eigentum, das verkündete Siemens am Morgen und während der Versammlung, gibt es jedenfalls noch reichlich im Unternehmen. Peter Löscher bezeichnete das Ergebnis des ersten Quartals 2010 als "erfreuliche Momentaufnahme". Und zwar mit Recht: Die Sektoren erwirtschafteten trotz sinkenden Umsatzes ein Plus von elf Prozent mit 2,25 Milliarden Euro, also schon über ein Drittel der für das Gesamtjahr prognostizierten Summe zwischen sechs und 6,5 Milliarden Euro. Das Ergebnis der fortgeführten Aktivitäten steigt um 21 Prozent auf 1,526 Milliarden, der Gewinn nach Steuern schließlich um 24 Prozent auf 1,531 Milliarden - trotz der Krise.
Jahresprognose: Korrektur nach oben?
Nun denken Löscher und sein CFO Joe Kaeser über eine Anhebung der Jahresprognose nach und künden eine entsprechende Überprüfung zum Halbjahr an. Dass obendrein aktuell ein Milliardenauftrag für neue ICE-Züge winkt, ist da wohl das Tüpfelchen auf dem I. Die Krise ist natürlich dennoch längst nicht ausgestanden, wie auch Löscher betonte - die Überleitung zu der vor allem für die Belegschaft weitaus weniger positiven Nachricht: Um sich "erfolgreich auf das längerfristig niedrigere Marktniveau" einzustellen, wird es noch diese Woche konkret werden mit den seit Monaten angekündigten, abwiegelnd als "punktuell" bezeichneten Einschnitten.
"Unumgängliche Anpassungsmaßnahmen"
Unter anderem bei den langzyklischen Geschäften im Energiesektor zeichne sich teilweise eine Abschwächung in der ersten Jahreshälfte ab, so Löscher, und: "Ein Ende dieser Abwärtsbewegung ist derzeit nicht erkennbar." Hier und in anderen Geschäften mit dauerhaften strukturellen Veränderungen werde es "unumgängliche Anpassungsmaßnahmen" geben: "Das betrifft gegebenenfalls spezifische Geschäfte und einzelne Standorte. [...] Es sind punktuelle Maßnahmen, und es sind geschäftsspezifische Maßnahmen, die wir hier im Blick haben."
Details am Donnerstag
Details dazu will Siemens dem Wirtschaftsausschuss am 28. Februar vorlegen. Dann wird sich wohl endlich zeigen, inwiefern sich punktuelle Maßnahmen von einem - stets als angeblich reines Gerücht zurückgewiesenen - Abbauprogramm unterscheiden. Man muss bis dahin wohl weiter das Beste hoffen und sich aufs Schlimmste vorbereiten. Eines aber steht jetzt schon fest: Beschäftigte, Betriebsräte und IG Metall werden jede geplante Maßnahme genauestens auf Sinn, Notwendigkeit und Konsequenzen hin analysieren - und sich gegebenenfalls gegen zweifelhafte Pläne wie derzeit für EDM und S.A.T. wehren.