Siemens Dialog
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16.05.2024, 21:05 Uhr

Arbeitsplatzersatz der besonderen Art

  • 13.05.2009
  • Allgemein

Siemens bot im Zuge von Verlagerungen bereits Beschäftigten an, ihrem Arbeitsplatz nach Prag hinterherzuziehen, Osram nach Italien*. Auch andere Unternehmen versuchen sich auf diese absurde Art aus der Verantwortung für ihre Beschäftigten zu stehlen. Ein besonders zynischer Fall erhitzt derzeit französische Gemüter.

Textilbetrieb in Bangalore: Nicht wirklich<br>eine Alternative für Beschäftigte in Europa.

48 Stunden, sechs Tage, 69 Euro

Wie zahlreiche französische Medien berichten, bot das Textilunternehmen Carreman im südfranzö-
sischen Castres allen Ernstes neun MitarbeiterInnen an, ihre Arbeit künftig in Indien zu verrichten - 48 Stunden und sechs Tage die Woche für 4.500 Rupien (69 Euro) brutto im Monat.

Den Verantwortlichen ist, wie sie unumwunden einräumen, selbst klar, dass niemand dieses Angebot annehmen kann und wird. Mit der Ablehnung ist jedoch, zumindest juristisch, der Weg für die Entlassung geöffnet - und zwar ohne die ansonsten fällige Abfindung. Arbeitgeber sind in Frankreich gesetzlich verpflichtet, bei Umstrukturierungen mit Stellenabbau die Weiterbeschäftigung an einem anderen Standort anzubieten, sofern es dort entsprechende Stellen gibt.

Bei Ablehnung Kündigung

Wer ablehnt, kann ohne Entschädigung entlassen werden, eine bequeme Sparmöglichkeit für Unternehmen. Der Gewerkschaftsbund CGT (<link http: www.cgt.fr _blank external-link-new-window>undefinedConfédération générale du travail) protestiert daher, die "Angebote" dienten offenkundig nur als Alibi für die Entlassung - gefordert seien nämlich glaubhaft sein, was bei einer Sechstagewoche in Bangalore für nicht einmal 70 Euro monatlich wohl kaum zutrifft. Der regionale CGT-Sekretär: "Die Geschäftsführung verschanzt sich hinter dem Gesetz. Aber das Gesetz hindert sie nicht an 'sauberen' Entlassungen. Ein kleiner Scheck wäre angemessener gewesen, als die Versetzungsangebote nach Indien."

Enttäuschung und Empörung

Während nun ein Streit über Sinn und Unsinn des zugrundeliegenden Gesetzes entbrannt ist, weisen die aktuelle Betroffenen bei Carreman noch auf einen andereren Aspekt hin. Das Vorgehen ihres Noch-Arbeitgebers, der ihnen vor dem Beginn der Medienaufmerksamkeit nicht einmal die Hintergründe des Vorgangs erklärte, beweist aus ihrer Sicht einen enormen Mangel an Respekt, erklärt ein Betroffener: "Ich habe mich so engagiert und gut gearbeitet. Dafür erwarte ich ein Minimum an Anerkennung - sie hätten sich anders verhalten können!"


*In der ursprünglichen Fassung dieses Artikel wurde als Beispiel für das Umzugsangebot nach Italien irrtümlich Bosch Siemens Hausgeräte genannt. Tatsächlich handelt es sich jedoch um Osram, wo man Anfang 2008 Beschäftigten in Traunreut unter anderem den Wechsel ins italienische Treviso anbot. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.