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29.04.2024, 20:04 Uhr

Die Null-Euro-Jobber

  • 07.12.2009
  • Allgemein

"Aggressives Geschäftsmodell" nennt man im Ellenbogen-Kapitalismus verharmlosend den Versuch, die in den vergangenen Jahren ohnehin drastisch ausgeweiteten Grenzen des Unternehmertums ein weiteres Stück zu verschieben. Leiharbeit und Ein-Euro-Jobber ist man schon gewohnt, nun geht ein findiger Unternehmer noch weiter: Seine "Null-Euro-Jobber" arbeiten für die bloße Aussicht auf ein Trinkgeld.

Bezahlung nach dem Prinzip Hoffnung

Das "<link http: jetzt.sueddeutsche.de texte anzeigen _blank external-link-new-window>undefinedjetzt"-Magazin der "Süddeutschen Zeitung" fasste dieser Tage einen Fall zusammen, der für Wind im Blätterwald sorgte. Martin Lettenmeier, gelernter Theologe und freier Unternehmer aus Ingolstadt, setzt in seiner Agentur "<link http: www.friendly-service.info home index.php _blank external-link-new-window>undefinedFriendly Service" eine neue Dienstleistungsidee um: Er vermittelt Packhilfen an Supermarktbetreiber, um Kunden an der Kasse beim Verstauen der Einkäufe behilflich zu sein. Die Supermärkte bezahlen für den "Friendly Service", die Einpacker hingegen arbeiten für die Hoffnung, über Trinkgelder auf ein paar Euro pro Stunde zu kommen.

"Glücksmomente" beim Einpacken

"Friendly Service" erzählt auf seiner Website in so genannten "Best Stories", wie schön das alles klappt mit dieser Art der Bezahlung. Glaubt man diesen "Stories, haben die MitarbeiterInnen, vor allem Schüler und Studenten, so etwas wie einen Traumjob gefunden: "Das sind die Glücksmomente, die einem nur bei Friendly Service passieren!", <link http: www.friendly-service.info stories index.php _blank external-link-new-window>undefinedbekennt einer von ihnen. Schattenseiten, das liegt in der Natur der Sache, sucht man in derlei "Best Stories" vergeblich.

Arbeitsrechtliche Bedenken

Probleme, so erfährt man nach gut drei Jahren der profitablen Geschäftsidee in den Medien, gibt es allerdings dennoch. Mit der zunehmenden Verbreitung der "Friendly Services" vor allem in großen Marktketten wie Edeka wuchs erst die Aufmerksamkeit, dann die Kritik. Bei der zuständigen Gewerkschaft Ver.di spricht man unverhohlen von Ausbeutung, und auch die öffentliche Meinung zweifelt offenbar an den "Glücksmomenten" dieser Art der Beschäftigung. Und Arbeitsrechtler haben erhebliche Bedenken für den angeblichen Status der Packer als Selbstständige, ohne den "Friendly Service" seinen "Servicemitarbeitern" ein Gehalt zahlen müsste; alles andere wäre sittenwidrig.

Edeka Südbayern, bislang einer der wichtigsten Kunden Lettenmeiers, prüft nun nach eigener Aussage das Geschäftsmodell; andere haben den Service nach einer Testphase wieder eingestellt, vermutlich aus Sorge um mögliche Image-Schäden, wie "jetzt" herausgefunden hat: "Es fördert nicht das Image, wenn Kunden den Eindruck bekommen, da behandelt jemand womöglich seine Mitarbeiter schlecht." Auch Lettenmeier lehnt Stellungnahmen aktuell ab und verweist lediglich darauf, dass seine Anwälte derzeit das Konzept überprüfen.

Einträgliches Geschäft

Immerhin müssen die Packer nicht auch noch etwas vom Trinkgeld an ihren "Arbeitgeber" abführen, wie ebenfalls stolz auf der Website <link http: www.friendly-service.info danke index.php _blank external-link-new-window>undefinedbetont wird: "Jeder Servicemitarbeiter erhält sein Trinkgeld zu 100 Prozent." Was Lettenmeier seinerseits von den Supermärkten erhält, ist hingegen nicht bekannt. "Jetzt" allerdings berichtet, es seien "dem Vernehmen nach zwischen drei und fünf Euro" pro Packstunde - ein einträgliches Geschäft.