Siemens Dialog
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03.05.2024, 13:05 Uhr

Neue Maßlosigkeit

  • 04.04.2008
  • Allgemein

Hans-Jürgen Urban, seit dem Gewerkschaftstag zuständig für Sozialpolitik, Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung im Vorstand der IG Metall, kritisiert den "arbeitspolitischen Roll-back" und seine Folgen für die Menschen. Die IG Metall steuert mit einer arbeitspolitischen Humanisierungsoffensive gegen diesen Trend an.

Im <link http: www.boeckler.de cps rde xchg hbs hs.xsl _blank external-link-new-window>undefinedInterview mit dem Magazin "Mitbestimmung" erläutert Urban (Foto) die Definition der IG Metall von Guter Arbeit: "ein faires, abgesichertes Einkommen, Beschäftigungs-sicherheit, soziale Sicherheit und die Möglichkeit, interessante Arbeit zu machen und sich weiterentwickeln zu können."

Die Arbeitsbedingungen der Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben entsprechen nach seiner Erfahrung dieser Definition nicht so, wie es eigentlich sein sollte: "Kurze Taktzeiten, monotone Tätigkeiten, Über-Kopf-Arbeiten - all das, was wir überwunden glaubten, kehrt zurück. Arbeit wird wieder zerhackt in kleine, überschaubare Handgriffe. Wir erleben ein arbeitspolitisches Roll-back. Gleichzeitig nehmen psychische Belastungen in rasantem Tempo zu. Die Menschen stehen unter enormem Druck. Arbeit ist für viele definitiv schlechter geworden."

Eine der Ursachen für diesen Rückfall sieht Urban im Finanzmarktkapitalismus: "Wir haben die Wucht, mit der das Shareholder-Value-Regime betriebliche Sozialstandards und Arbeitsbedingungen in Frage stellt, unterschätzt." In den Unternehmen konstatiert er "eine neue Maßlosigkeit", die für die Beschäftigten in Zumutungen mündet: "überlange Arbeitszeiten, eine nie da gewesene Verdichtung von Arbeit, hoch geschraubte Leistungsanforderungen. Viele erleben einen geradezu imperialen Zugriff auf den ganzen Menschen und seine gesamte Lebenszeit. Die Shareholder-Value-Fixierung frisst Ansätze innovativer Arbeitspolitik allmählich auf."

Im Gegensatz zu früher liegt das Problem heute weniger in der technischen Gestaltung der Arbeit, sondern bei den Rahmenbedingungen: "Heute entsteht der Druck vor allem durch Umorganisation von Arbeit, durch neue Konzernstrukturen, durch Dezentralisierung und Vermarktlichung."

Moderner Arbeits- und Gesundheitsschutz muss daher aus seiner Sicht weiter griefen als der klassische, der sich in konkreten Details wie Gehörschutz und ähnlichem niederschlug. Im Vordergrund stehen dabei andere, grundsätzlichere Fragen: "Was macht krank? Was schädigt die Gesundheit? Alles gehört auf den Prüfstand - von der Arbeitszeit über die Arbeitsorganisation bis zu den physischen, aber eben auch den psychischen Belastungen. Arbeitsschutz - das sind Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung von Arbeit, keine vereinzelte Mängelbeseitigung."

Das vollständige Interview kann man auf den Seiten der <link typo3 _blank external-link-new-window>undefinedHans Böckler-Stiftung lesen sowie im Magazin "Mitbestimmung" mit dem aktuellen Schwerpunkt "Arbeitsschutz" als PDF herunterladen.