Siemens Dialog
https://www.dialog-igmetall.de/nachrichten/politische-lumperei
29.04.2024, 16:04 Uhr

"Politische Lumperei"

  • 04.09.2009
  • Allgemein

"Klammheimlich und leise" geht laut der "Welt" ein Stellenabbau vor sich, der nicht so recht zu den öffentlichen Bekenntnissen passen will, trotz der Krise Einschnitte in die Beschäftigung zu vermeiden. Den Recherchen der Zeitung zufolge sind in Deutschland seit September 2008 über 30.000 Arbeitsplätze bei den DAX-Unternehmen betroffen.

Unter dem Titel "Der heimliche Stellenabbau" veröffentlichte die "Welt" Ende August ihren überraschenden <link http: www.welt.de die-welt finanzen article4425174 der-heimliche-stellenabbau.html _blank external-link-new-window>undefinedBericht: "Trotz Beschäftigungspakt haben die Dax-Konzerne während der Krise Zehntausende Arbeitsplätze gestrichen - besonders viele davon in Deutschland."

"Sanfte Methoden"

Das erstaunliche daran ist, stimmen die Zahlen, tatsächlich das Fehlen größerer öffentlicher Reaktionen. Die "Welt" macht als Ursache das Vorgehen der Unternehmen aus: "Auffällig ist, dass die Konzerne bisher auf klare Kündigungen verzichten. Sie setzen auf sanftere Methoden. Freie Stellen werden einfach nicht wieder besetzt. Und wenn darüber hinaus abgebaut wird, herrscht oft das Prinzip 'Freiwillige vor'."

Nicht großangelegt, ...

So wie bei Siemens. Dort hält man sich an die im Sommer 2008 mit Gesamtbetriebsrat und IG Metall eingegangene Verpflichtung, bis September 2010 keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen. Peter Löscher sicherte beim Krisengipfel der DAX-Chefs mit Angela Merkel Ende 2008 nochmals zu, im Jahr 2009 keine Beschäftigten zu entlassen, und wiederholte dies mehrfach gegenüber Beschäftigten und Betriebsräten. Gleichzeitig versicherte Siemens auch in der Öffentlichkeit, keine großangelegten Reduzierungen zu planen.


... aber peu à peu

Auf einem anderen Blatt stehen allerdings die fortgesetzten Bemühungen, die Personaldecke mit "sanften" Maßnahmen auszudünnen. Zu den (durchaus akzeptablen) Bedingungen des SG&A-Programms werden unvermindert Beschäftigte dazu gebracht, Siemens zu verlassen, wie der Gesamtbetriebsrat berichtet. Dessen Vorsitzender Lothar Adler (Foto) bestätigt: "Da werden, mal hier 15 Stellen abgebaut, mal da 20. Es gibt keine große Abbauwelle, aber die punktuellen Maßnahmen summieren sich am Ende bereits jetzt zu mehreren Hundert - und es ist kein Ende abzusehen."

Stillhaltepakt mit der Politik?

Auf der Suche nach Erklärungen für den ungewohnt diskreten Abbau bringt die "Welt" auch die Aussage des Siemens-CEO im Rahmen einer Betriebsversammlung im Erlanger Stammhaus zur Sprache. Er habe Merkel versprochen, im laufenden Geschäftsjahr keine Stellen zu streichen, erklärte Löscher dort (siehe Dunkle Wolken über dem 'Himbeerpalast'?). Drei Tage nach der Bundestagswahl endet dieses Geschäftsjahr bekannntlich, was erneut die bereits öfter gestellte Frage nach einem "heimlichen Stillhaltepakt" mit der Politik aufwirft (siehe Kahlschlag nach der Wahl?).

"Politische Lumperei und moralisches Versagen"

Der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber hatte eine derartige Vereinbarung, sollte es sie wirklich geben, als "politische Lumperei und ein moralisches Versagen der Politik" bezeichnet. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz habe so etwas zwar für die SPD ausgeschlossen, eine deutliche Aussage der Union aber fehlt bislang, erklärte Huber und forderte: "Der zuständige Bundesminister Guttenberg muss endlich glasklar Stellung beziehen. Die Menschen haben ein Anrecht darauf, dass es in dieser Frage keine Doppelbödigkeit gibt."