Siemens Dialog
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27.04.2024, 10:04 Uhr

Kahlschlag nach der Wahl?

  • 31.08.2009
  • Allgemein

Dass die bevorstehende Wahl bei den Bemühungen zum Abfedern der Wirtschaftskrise keine unwesentliche Rolle spielt, ist ein mehr oder weniger offenes Geheimnis. Neu ist hingegen, dass man praktisch unverhohlen ausspricht, was dem Wahlvolk möglicherweise nach dem 27. September blüht.

Die deutsche Industrie wird Stellen im großem Umfang streichen, sobald die Bundestagswahl vorüber ist - das jedenfalls will die '<link http: www.ftd.de politik deutschland :jobabbau-kahlschlag-kommt-nach-der-wahl _blank external-link-new-window>FTDFinancial Times Deutschland' von 'mehreren Spitzenmanagern' erfahren haben. Es gebe "eine Art Stillhalteabkommen zwischen Industrie und Regierung", das bis dahin einen größeren Arbeitsplatzabbau verhindere, danach aber "wird sich die Botschaft ändern. Das ist ganz normal", zitierte die Zeitung vergangene Woche den Vorstandschef von MAN.

Was kommt 2010?

Mit der Meldung erhalten Sorgen neue Nahrung, dass auf die bislang vor allem durch Kurzarbeit von größerem Abbau verschonten Belegschaften noch herbe Einschnitte zukommen. Das (unverbindliche) Abkommen zur Vermeidung von Entlassungen zwischen den DAX-Unternehmen und Bundeskanzlerin Merkel vom Frühjahr erscheint damit, vor allem mit Blick auf die Formulierung "im Jahr 2009", in einem anderen Licht.

Den flankierenden Maßnahmen der Bundesregierung - Konjunkturpaketen und insbesondere der milliardenschweren Förderung der Kurzarbeit - könnte in der Tat zeitgleich zur Wahl die Puste ausgehen. Ein erstes Beispiel ist die Abwrackprämie, die nicht nur aus Sicht der IG Metall bisher die schnellste und wirkungsvollste aller Konjunkturmaßnahmen darstellt. Sind ihre Mittel erschöpft, was nach Aussagen des zuständigen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle schon Anfang September der Fall sein soll, geraten in der Automobilindustrie einer Roland Berger-Studie zufolge unmittelbar 90.000 Arbeitsplätze in Gefahr.

Beschäftigungssicherung bei Siemens

Besser, wenn auch nicht gänzlich unbekümmert, stehen die Beschäftigten in Unternehmen da, für die Betriebsräte und Gewerkschaft über Absichtserklärungen hinaus eine belastbare Beschäftigungssicherung erreichen konnten. Bei Siemens etwa unterzeichneten Unternehmen, Gesamtbetriebsrat und IG Metall schon 2008 eine Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen und Standortschließungen bis Oktober 2010 ausschließt. Überlegungen, wie es nach dem Auslaufen der Kurzarbeit weitergeht, stehen dennoch schon heute auf der Tagesordnung.

Verschärfung auf dem Arbeitsmarkt

An der drohenden Verschärfung auf dem Arbeitsmarkt ändern nach Einschätzung der meisten Experten auch die zuletzt leicht verbesserten Konjunkturprognosen wenig. In Bereichen wie dem Maschinenbau und der Automobilindustrie bestehen Überkapazitäten, die sich auch mit einer weniger katastrophalen Entwicklung als noch vor einigen Wochen erwartet nicht von selbst erledigen werden. Mittelfristig haben manche Branchen einen strukturellen und technologischen Wandel zu bewältigen, wie der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber mit Bezug auf die Automobilindustrie mahnte: "Wir dürfen die Augen nicht vor den sozialen Folgen verschließen. Wir müssen heute etwas tun, damit wir morgen nicht die Scherben aufkehren."