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07.05.2024, 23:05 Uhr

Deutschland allein auf weiter Flur

  • 18.09.2008
  • Allgemein

Eine Studie zu Mindestlöhnen in der Europäischen Union demonstriert, dass Deutschland mit seiner fehlenden Regelung zunehmend isoliert da steht. Von 27 Mitgliedsstaaten verfügen 20 über einen gesetzlichen Mindestlohn, fünf haben die untere Lohngrenze in den vergangenen Monaten angehoben.

Kontinuierliche Anhebung

Eine aktuelle Auswertung der Mindestlohnentwicklung in Europa durch das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (<link http: www.boeckler.de _blank external-link-new-window>undefinedWSI) der Hans-Böckler-Stiftung fasst zusammen: In den westeuropäischen Euro-Ländern liegen die Mindestlöhne jetzt über 8,30 Euro, in Luxemburg bei 9,30 Euro. In 12 von 20 EU-Staaten waren die gesetzlichen Mindestlöhne bereits zum 1. Januar 2008 erhöht worden. Zwischen März und Juli haben Luxemburg, Frankreich, Belgien, die Niederlande und Slowenien das gesetzliche Lohnminimum angehoben. In Belgien und den Niederlanden wurde der Mindestlohn damit zum zweiten Mal in diesem Jahr erhöht. Großbritannien hat bereits jetzt eine weitere Erhöhung seiner Lohnuntergrenze für den 1. Oktober beschlossen.

Ersatzsysteme für faktischen Mindestlohn

Ausnahmen vom europaweiten Trend zum Mindestlohn bilden Dänemark, Schweden und Finnland sowie Deutschland, Österreich, Italien und Zypern. Teilweise gibt es dort allerdings so genannte 'funktionale Äquivalente', die eine hohe Tarifbindung sichern und damit ein weitgehend funktionierendes System tarifvertraglicher Mindestlohnsicherung ermöglichen, erklärt ein WSI-Forscher. In den skandinavischen Ländern etwa sichert das so genannte "Gent-System", in dem die Gewerkschaften die Arbeitslosenversicherung verwalten, einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und damit verbunden eine hohe Tarifbindung.

In Österreich führt die Pflichtmitgliedschaft der meisten Unternehmer in der Wirtschaftskammer zu einer sehr hohen Tarifbindung. Darüber hinaus haben dort 2007 die Spitzenverbände der Arbeitgeber und Gewerkschaften eine Vereinbarung unterzeichnet, die die Tarifvertragsparteien auffordert, die tariflichen Mindestlöhne auf mindestens 1000 Euro pro Monat anzuheben. In Italien besteht ein durch die Verfassung abgesichertes Recht auf einen 'angemessenen' Lohn, den die dortige Rechtsprechung als Tariflohn interpretiert.

Niederschmetterndes Fazit für Deutschland

Umso niederschmetternder stellt sich das Fazit mit Blick auf Deutschland da: Es ist derzeit das einzige der EU-Kernländer, in dem keine vergleichbaren Regelungen eine flächendeckende Mindestlohnsicherung gewährleisten.