Siemens Dialog
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27.04.2024, 02:04 Uhr

Diskussion um Entgelterhöhung

  • 05.08.2010
  • Allgemein

Die Zunahme überraschend positiver Konjunkturdaten hat innerhalb kurzer Zeit eine Diskussion um die Frage ausgelöst, inwiefern sich diese auf die Tarifentwicklung auswirken. Aus Sicht der Gewerkschaften ist die Antwort klar: Der Konjunktur entsprechende Einkommensanpassung nach oben sind nicht nur gerecht, sondern auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll.

Pro und contra: Berthold Huber und Dieter Hundt.

Verteilungspolitische Gerechtigkeit, ökonomische Vernunft

Der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber fasst in einem <link http: www.merkur.de _blank external-link-new-window rm>undefinedGastbeitrag im "Rheinischen Merkur" zusammen: "Die Beschäftigten brauchen höhere Einkommen. Das ist ein Gebot der verteilungspolitischen Gerechtigkeit. Und der ökonomischen Vernunft." Seine Argumentation entspringt nicht etwa  gewerkschaftlichen Klischees, sondern wird von vielen Wirtschaftsexperten geteilt. Der derzeitige Aufschwung stützt sich wie vor der Krise überwiegend auf den Export. Damit entsteht eine gefährliche Abhängigkeit von den Ausfuhrmärkten, die sich kaum beeinflussen lassen. Bestes Gegenmittel ist die Stärkung der Binnennachfrage, und dafür wiederum ist die von der Lohnentwicklung abhängige Kaufkraft entscheidend.

Erste Tarifrunde nach der Krise

Während die nächste Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie erst im kommenden Jahr stattfindet, beginnen schon jetzt die Verhandlungen für die Stahlindustrie. Für die IG Metall ist die Richtung klar: "In dieser ersten Tarifrunde nach der Krise wollen wir einen fairen Anteil der Beschäftigten am Aufschwung durchsetzen. [...] In der Krise haben die Beschäftigten ihren Beitrag geleistet. Sie haben geholfen, die Existenz von Betrieben und Arbeitsplätze zu sichern. Es ist nur gerecht, wenn sie jetzt mit höheren Einkommen am Aufschwung teilnehmen."

Abgedroschenes aus dem Arbeitgeberlager

Es ist keine Überraschung, dass im Arbeitgeberlager bereits eifrig das Gegenteil gefordert wird. Dafür muss das alte Totschlag-Argument, spürbare Erhöhungen gefährdeten "das zarte Pflänzchen des Aufschwungs", zum x-ten Mal herhalten. Huber kontert: Bei den Einkommen nach der Krise maßzuhalten, schwächt den Binnenmarkt und ist von daher ökonomisch kontraproduktiv. Und: "Politisch ist es eine Provokation, weil gerade die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Lasten der Krise schultern mussten."

Daran ändert auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nichts, der den Gegenpol zu Hubers Beitrag im "Rheinischen Merkur" darstellt. Man kenne die wirtschaftliche Situation im nächsten Jahr noch nicht, warnt er, daher käme eine Diskussion über höhere Einkommen zur Unzeit. Was er dabei übersieht: Wie gerade die Zeit seit Krisenbeginn deutlich machte, in der einer Überraschung die nächste folgte, lässt sich die reale Entwicklung nun einmal nie zuverlässig voraussagen. Eine kräftige Stärkung der Binnennachfrage jedoch würde die Berechenbarkeit wenigstens in einem Punkt erhöhen.

Mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung

Vor diesem Hintergrund setzt sich die IG Metall im Zuge ihrer Forderung nach einem Kurswechsel auch für mehr Gerechtigkeit bei der Einkommensverteilung ein. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf und dem Niedriglohnbereich und der Leiharbeit. Mehr gesicherte Arbeitsverhältnisse und gerechtere Bezahlung sind das erklärte Ziel.

Auch der plötzlich entflammten Neuauflage der Diskussion um den Fachkräftemangel stellt sich die IG Metall. Sie fordert seit Jahren Weichenstellungen bei Bildung und Ausbildung, um den Bedarf weiter decken zu können und dabei möglichst vielen jungen Menschen eine Chance zu bieten. Hubers Fazit: "Wer jungen Menschen nach Ausbildung und Hochschulabschluss nur Leiharbeit, Praktika oder befristete Arbeit bietet, der darf sich nicht wundern, wenn er keine qualifizierten Fachkräfte bekommt. Gute Arbeit muss gut bezahlt und sicher sein."