Siemens Dialog
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03.05.2024, 11:05 Uhr

"Gedeckt, geduldet oder gar initiiert"

  • 22.12.2008
  • Allgemein

Siemens' Aufsichtsratsvorsitzender Gerhard Cromme zieht eine Bilanz des Vergleichs mit der SEC, angesichts dessen man aus seiner Sicht getrost "drei Kreuze machen" darf. Gleichzeitig geht er hart mit der früheren Unternehmensspitze ins Gericht, die man dafür zur Verantwortung ziehen müsse; die Betroffenen zeigten sich postwendend befremdet.

Existenzielle Bedrohung abgewendet

Im <link http: www.spiegel.de wirtschaft _blank external-link-new-window>undefinedGespräch mit dem "Spiegel" sagte Cromme, mit der Buße an die US-Behörden sei Siemens "vergleichsweise milde davongekommen. [...] Wenn die Amerikaner alle Folterinstrumente genutzt hätten, die das US-Rechtssystem ihnen zur Verfügung stellt, hätte Siemens in eine existentiell bedrohliche Krise geraten können." Trotz einiger offenen Ermittlungen in anderen Ländern betrachtet er die "die wichtigsten Fälle und Ermittlungen" in der Schmiergeldaffäre als "abgehakt"

"Mangel an Moral"

Keinsfalls abgehakt ist hingegen die Aufarbeitung der Frage, inwiefern das frühere Topp-Management zur Verantwortung zu ziehen ist. Cromme erklärte, "Es ging immer auch um Moral - oder gerade deren Mangel"; Vor allem von Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld hätte er sich "sehr viel mehr Offenheit gewünscht". Er und der Aufsichtsrat seien "überzeugt, dass der frühere Vorstand sich Fehlverhalten zu Schulden hat kommen lassen, für das wir ihn zivilrechtlich belangen müssen".

"Paralleluniversum" mit Vorstandssegen

Dabei geht es ihm nicht darum, das Maximum an Schadensersatz herauszuholen, sondern um einen eher symbolischen Beitrag - das allerdings "in nennenswerter Höhe". Bei Siemens habe in Sachen Bestechung über Jahrzehnte ein "Paralleluniversum" bestanden, das "von früheren Vorständen gedeckt, geduldet oder gar initiiert" worden sei.

Harte Worte findet er auch für die Art, mit der man den Aufsichtsrat aus diesem Paralleluniversum herausgehalten habe: Das Kontrollorgan sei von den Ex-Vorständen "unvollständig, irreführend und teilweise sogar falsch informiert worden", bei Siemens habe sich "extern wie intern eine Art gemeinsamer Bestechungsindustrie entwickelt, die letztlich vor allem den Eindruck produzieren sollte, Schmiergelder seien notwendig".

"Fundiertes Bestreiten" von Pierer, Unverständnis von Kleinfeld

Die beiden früheren Vorstandsschefs Heinrich von Pierer und Klaus Kleinfeld haben sich inzwischen gegen die Vorwürfe verwahrt. Von Pierer erklärte im "Handelsblatt", "fundiertes Bestreiten" dürfe nicht als Uneinsichtigkeit bezeichnet werden - er habe hinsichtlich der Vorwürfe gegen ihn auf "Missverständnisse, Unrichtigkeiten und Lücken im Sachverhalt" hingewiesen und ansonsten "offen und umfangreich" auf die Fragen mit der Aufklärung beauftragter Anwälte geantwortet.

Kleinfelds Anwalt schrieb Cromme Medienberichten zufolge am Freitag, er habe die Anschuldigungen mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Gegen ihn würden weder von der Münchner Staatsanwaltschaft noch der SEC spezifische Beschuldigungen erhoben. Außerdem habe er selbst im Herbst 2006 als Vorstandsvorsitzender eine beispiellose Aufklärungsarbeit eingeleitet, die das Fundament für die späteren Aufräumarbeiten bildete.