Siemens Dialog
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30.04.2024, 03:04 Uhr

"Immense Unsicherheit"

  • 29.07.2008
  • Allgemein

Seit Bekanntgabe des so genannten Eckpunktepapiers, in dem Siemens und die Arbeitnehmerseite Grundsätze zum geplanten Personalabbau vereinbart haben, werden die Beschäftigten in den Betrieben vor Ort informiert. Dabei herrscht keineswegs nur eitel Sonnenschein - Beispiel Erlangen G.

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In Anwesenheit des Industry-Vorstands Dr. Heinrich Hiesinger versammelten sich die Beschäftigten des erheblich von den Abbauplänen betroffenen Stammhauses am 24. Juli zur Betriebsversammlung.

Noch kein Grund zum Zurücklehnen

Die Betriebsratsvorsitzende Sigrid Heitkamp berichtete vom aktuellen Stand der Dinge, stellte die vereinbarten Eckpunkte (siehe Tragfähige Gesprächsgrundlage zum Konzernumbau) dar und wies darauf hin, dass es sich lediglich um einen ersten Schritt handelt: "Die tatsächliche Ausprägungen der Vereinbarungen für die gesamte Siemens AG und auch für jeden einzelnen Standort sind erst noch zu erarbeiten. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass die ursprünglich geplanten Personalabbauzahlen von Firmenseite noch nicht revidiert worden sind. Hier erwarten den Gesamtbetriebsrat noch schwierige Verhandlungen, für die die Unterstützung der Beschäftigten und der IG Metall nötig sein werden."

Abbau nach Quote erzeugt Unsicherheit

Kritisch merkte sie an, dass überzeugende Konkretisierungen für die angekündigten Einsparungen nach wie vor fehlen: "Offensichtlich heißt es aber, dass Personal gemäß einer vorgegebenen Quote abgebaut wird - koste es, was es wolle. Und von dieser Idee halte ich gar nichts." Ihr Fazit angesichts dieser Situation: "Die Unsicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist immens!"

Zentrale Fragen

An Hiesinger gerichtet formulierte die Betriebsratsvorsitzende die aus Beschäftigtensicht, aber auch mit Blick auf die Zukunft des Geschäfts zentralen Fragen: "Auf welcher Grundlage wurden die Zahlen für den Personalabbau ermittelt? Welche Maßnahmen werden ergriffen, um mit verminderter Personalstärke stärker zu wachsen als der Markt? Inwieweit wurde untersucht, wie mit den verbleibenden Mitarbeitern die Arbeit überhaupt noch zu machen ist?" Dahinter stehen Erfahrungen der Vergangenheit, die sich im Nachhinein als Fehler erwiesen: "Wichtige Mitarbeiter und Know-How-Träger haben uns bereits verlassen. Neue tun sich schwer, sich für Siemens zu entscheiden."

Bedauern für die SIMS?

Dem Industry-Vorstand gelang es kaum, die Versammlung mit Antworten auf diese Fragen zu überzeugen. Statt dessen ging er auf die Entscheidung ein, die Siemens Industrial Montage Services in  der Siemens AG zu belassen: "Ich bedauere die Entscheidung für die SIMS Mitarbeiter [...] Wir tun den Mitarbeitern bei SIMS keinen Gefallen." Dazu wird die Mehrheit der Betroffenen wohl anderer Meinung sein, zumal die Äußerung zeigt, wie schwer es dem Siemens-Management gefallen ist, der entsprechenden Forderung der Arbeitnehmerseite nachzugeben. Generell erklärte Hiesinger mit Blick auf die Kritik an potenziell kontraproduktiver Stellenreduzierung weiter, man verfolge "nicht nur das Thema Abbau."

Augenmaß und Respekt

Heitkamp schloss ihre Antwort auf die Rede des Industry-CEO mit einem dringenden Appell und einer klaren Ankündigung: "Ich erwarte von Ihnen als Vorstand dieses Unternehmens, dass Sie dafür sorgen, dass realistische Zahlen erarbeitet werden. Dieser Betriebsrat ist nicht bereit, pauschale Zahlen für einen Personalabbau zu akzeptieren, solange uns niemand erklärt was, wann, wie und wo zukünftig gearbeitet werden soll. [...] Und eins ist mir noch besonders wichtig: Ich fordere Sie und alle Verantwortlichen auf, die notwendigen Maßnahmen mit Augenmaß und Respekt für den Einzelnen anzugehen."

"WIR sind Siemens!"

Angesichts der derzeit noch längst nicht umfassend geklärten Lage beendete die Betriebsratsvorsitzende die Versammlung nicht, sondern unterbrach sie, um sie im Fall neuer Entwicklungen ohne Verzögerung wieder einberufen zu können. Die Stimmung der Versammlung machte deutlich, dass auch die Erlanger Beschäftigten sich dafür einsetzen werden, ihre Rechte und eine nachhaltige Perspektive für den Standort durchzusetzen. Sichtbares Zeichen dafür war ein Transparent, das auf 15 Quadratmetern unübersehbar darauf hinwies: "Wir sind Siemens!"