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14.05.2024, 14:05 Uhr

Neues Tief bei Krankenstand in Bayern

  • 09.08.2007
  • Allgemein

Die Arbeitnehmer in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie haben sich im zurückliegenden Halbjahr noch seltener krank gemeldet als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Durch die geringeren Fehlzeiten sparen die Arbeitgeber jedes Jahr mehrere hundert Millionen Euro.

Im Winterhalbjahr 2006/2007 lag die Krankenquote in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie bei 4,3 Prozent. Bei 125 möglichen Arbeitstagen bedeutet dies, dass ein Arbeitnehmer in diesen sechs Monaten im Durchschnitt an 5,4 Tagen wegen Krankheit fehlte. Im Vergleich zum Winterhalbjahr 2005/2006 ist der Krankenstand damit um 0,3 Prozentpunkte gesunken. Im Vorjahreszeitraum lag die Quote noch bei 4,6 Prozent oder 5,8 Tagen.

Das geht aus einer <link http: www.bayme.de agv data media _stories auswertung-wh-06-07.pdf _blank>Umfrage hervor, die die Arbeitgeberverbände der bayerischen Metall- und Elektroindustrie, BayME und VBM, in München vorgestellt haben. An der Umfrage haben sich nach ihren Angaben 292 Betriebe mit insgesamt knapp 251.000 Beschäftigten beteiligt.

Im Jahresdurchschnitt 2006 betrug die Krankheitsquote 4,2 Prozent und lag damit auf dem Niveau des Rekordtiefs von 2004. Im Jahr 2001 lag die Fehlzeitenquote noch bei 5,0 Prozent.

Berücksichtigt man nur die Krankheitstage, für die das Entgelt fortgezahlt wird, so ergibt sich eine noch erheblich niedrigere Quote, da z.B. Langzeiterkrankungen nicht erfasst werden. Für den Krankenstand mit Entgeltfortzahlungspflicht ergab die Umfrage eine Quote von 3,3 Prozent gegenüber 3,4 Prozent im Winterhalbjahr 2005/2006.

Erhebliche Einsparungen für die Arbeitgeber

Der sinkende Krankenstand spart den Arbeitgebern jedes Jahr Millionen. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Unternehmensverbands Metall und Elektro (BayME) und des Verbands der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (VBM): „Die Lohnfortzahlung für die bayerische Metall- und Elektro-Industrie summierte sich im vergangenen Jahr auf fast 1,4 Milliarden Euro. Hätten wir immer noch den Krankenstand von 2001 gehabt, hätte dies die bayerischen Metall- und Elektro-Betriebe 260 Millionen Euro mehr gekostet.“

Ursachen und Symptome

Das erklärt aber noch nicht, warum sich immer weniger Arbeitnehmer krank melden. Sind sie einfach gesünder als in früheren Jahren? So sieht es Brossardt, der stellvertretend für die bayerische Elektro- und Metallindustrie steht. Er sieht die Gründe für die rückläufigen Fehlzeiten unter anderem darin, dass Maßnahmen der Arbeitgeber zur Senkung des Krankenstandes beitragen. Stichwort „Gesundheitszirkel, Rückenschulungen oder kostenlose Grippeschutzimpfungen.“ Einen Zusammenhang zwischen Jobsicherheit und Krankenstand sieht er durch die Umfrage geradezu widerlegt. Wenn Beschäftigte aus Angst um ihren Job krank zur Arbeit gingen, dann müsse der Krankenstand vor allem in konjunkturell schwierigen Jahren sinken. „Wenn dem so wäre, müsste jetzt der Krankenstand in der Metall- und Elektro-Industrie wieder ansteigen, da derzeit tausende neue Jobs entstehen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, die Fehlzeiten gehen weiter zurück“, sagte Brossardt. Super Argument: Jetzt kann man es sich wieder leisten, krank zu werden, denn es gibt Jobaufbau - bei den Zeitarbeitsfirmen. Auch Siemens verspricht für das laufende Geschäftsjahres insgesamt 10.000 neue Stellen. Leider befinden sich davon nur einige hundert auch in Deutschland. Brossardt verwechselt offenbar die Schaffung neuer Arbeitsplätze mit „Jobsicherheit“ – eine Verwechslung, die naheliegend sein mag, aber die Diskussion der Arbeitgeber um die Aufweichung des Kündigungsschutzes oder den verstärkten Einsatz von Leiharbeit einfach ausblendet.

"Machnismen der Krankheitsverleugnung"

In vielen Studien nachgewiesen worden, dass neben medizinischem Fortschritt, weniger körperlicher Arbeit und besserer Prävention auch die Angst vor Jobverlust und die Auswirkungen von Vorruhestands- und Entlassungswellen ursächlich für den Rückgang krankheitsbedingter Fehltage verantwortlich ist. Außerdem zeigt die Umfrage von BayME/VBM, dass der Krankenstand in Betrieben mit weniger als 100 Beschäftigten erheblich niedriger ist als in größeren Betrieben. Die von Brossardt so lobend erwähnten gesundheitspolitischen Maßnahmen der Betriebe dürften aber in kleineren Unternehmen viel seltener sein.

Oder sind manche Branchen einfach resistenter gegen Viren und Krankheitserreger? In der IT-Branche beispielsweise lag der Krankenstand im Winterhalbjahr 2006 / 2007 bei nur 3,0 Prozent. Die Soziologen Hermann Kocyba und Stephan Voswinkel vom Institut für Sozialforschung in Frankfurt am Main haben dafür eine plausible Erklärung. Gesundheitsbelastungen werden bei modernen Dienstleistern wie IT-Firmen besonders häufig ignoriert. Die Unternehmen bieten zwar Programme zur Gesundheitsförderung an, zugleich ist die Arbeit aber so organisiert, "dass Krankheit nicht vorkommen darf". Termindruck, knappe Personaldecke und das „Aufeinander-Angewiesensein“ in Teams sorgen dafür, dass sich bei den Beschäftigten "von selbst Mechanismen der Krankheitsverleugnung entwickeln".