Siemens Dialog
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22.05.2024, 03:05 Uhr

AUB: Unternehmer unerwünscht?

  • 29.05.2008
  • Allgemein

Der Gesamtvorstand der AUB hat mit Beschluss vom 27. Mai deren langjährigen Bundesvorstand Wilhelm Schelsky aus der Organisation ausgeschlossen. Der Schritt selbst ist verständlich, streckenweise kurios hingegen klingt die offizielle Begründung.

Bei ihrer Sitzung in Bischofsgrün beschloss eine beschlussfähige Mehrheit von 9 der 14 Mitglieder des AUB-Vorstandes, Schelsky nach § 11 der AUB-Satzung auszuschließen. Offenbar hatte man es eilig, den allmählich überfälligen letzten Schnitt zum früheren Patriarchen der AUB hinter sich zu bringen: Der Antrag auf Ausschluss war erst am fünften Mai gestellt worden.

Lobbyisten müssen draußen bleiben...

Ein Teil der laut Protokoll "jeweils selbständig den Ausschluss tragenden Gründe" ist die Tatsache, dass Schelsky mittlerweile gestandene Tätigkeit als "Lobbyist der Siemens AG" sowie die in der Öffentlichkeit hergestellten Verbindungen zwischen dem Ermittlungsverfahren gegen ihn und dieser Tätigkeit geeignet sind, "der Verwirklichung der Zwecke der AUB sowie dem Ansehen der AUB als unabhängiger Arbeitnehmervertretung nachhaltig zu schaden." Das ist zwar mit bemerkenswertem Understatement ausgedrückt, trifft aber den Kern der Sache.

Weitaus eigenartiger klingt, was als zweiter Grund angeführt wird. Nach § 5 Abs. 1 der im Sommer 2007 neu gefassten AUB-Satzung sollen Mitglieder "Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungs-, Personalvertretungsgesetzes oder der Mitbestimmungsgesetze [...]" sein. Ein erstaunlicher Passus, nachdem man zuvor bekanntlich stets beste Beziehungen zu Unternehmern gepflegt hatte.

... und Unternehmer erst recht

Dann folgt eine Aussage, die an Scheinheiligkeit schwer zu überbieten sein dürfte: "Die zwischenzeitlich [!] bekanntgewordene umfangreiche unternehmerische Tätigkeit des Mitglieds Herrn Wilhelm Schelsky und damit zugleich sein Status als Arbeitgeber ist mit dem Charakter der AUB als von Arbeitgebern unabhängiger Vereinigung von Arbeitnehmern nicht vereinbar."

Da muss man schon zweimal hinschauen. Nachdem man Schelskys unternehmerische Dynamik jahrelang unbekümmert guthieß - und nebenbei in erheblichem Umfang von ihr profitierte -, nachdem man noch nach dem Auffliegen seiner Machenschaften fadenscheinig entschuldigte, über Details seiner Unternehmeraktivitäten habe er niemanden informiert, ist plötzlich von einer zwischenzeitlich bekanntgewordenen Tätigkeit die Rede.

"Hierdurch [i. e. die Unternehmertätigkeit] wird die Glaubwürdigkeit der AUB als Berufsverband von Arbeitnehmern erheblich gefährdet", schließt der Absatz in der Ausschlussbegründung. Wenn man sich da im neuen Bundesvorstand, dessen Mitglieder zuvor nie Bedenken gegen den Unternehmer an ihrer Spitze hegten, mal nicht täuscht.

Das eigentliche und wesentlich aktuellere Glaubwürdigkeitsproblem der "Arbeitsgemeinschaft" liegt wohl eher in ihrer anhaltenden Weigerung, endlich den Kopf aus dem Sand zu ziehen und, will man denn partout weitermachen, zumindest einmal wirkliche Vergangenheitsbewältigung zu wagen.