Siemens Dialog
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26.04.2024, 19:04 Uhr

Siemens Enterprise: Ringen um den Turn Around

  • 25.10.2010
  • Konzern

Fast genau zwei Jahre nach Übernahme der Mehrheit von Siemens Enterprise Communications durch die Gores Group ringt Siemens' frühere Telefonnetz-Sparte weiter um eine zukunftsfähige Aufstellung. Trotz umfangreicher Restrukturierungen vor allem zu Lasten der Beschäftigten ist der Turn Around nicht geschafft - nun sollen 200 Millionen Euro Fremdkapital aus der Klemme helfen.

Mitgift verbraucht ...

Im Oktober 2008 übernahm die Gores Group mit 51 Prozent der Anteile von Siemens Enterprise Communications (SEN) die Führung und Verantwortung im Unternehmen. Heute ist die großzügige Mitgift der Siemens AG soweit verbraucht, dass SEN für die Finanzierung des Geschäftsverlaufs und weitere Restrukturierungsmaßnahmen 200 Millionen Fremdkapital aufnehmen soll.

... aber Ziel nicht erreicht

SEN steht damit heute finanziell schwächer da als zum Start. Zahlreiche Wechsel im Management, harte Einschnitte beim Personal und vielfältige Umstrukturierungen haben nicht gereicht, um die geschäftliche Wende herbeizuführen. Die zur Umsetzung der Strategie erforderlichen Maßnahmen bleiben nebulös, kritisieren der Gesamtbetriebsrat und die IG Metall in einer gemeinsamen Mitarbeiterinformation.

Nun steigt der Handlungsdruck, während der verfügbare Spielraum von Woche zu Woche enger wird. Die Geschäftsführung stellt die Umsatzsteigerungen der vergangenen Monate in den Vordergrund und blendet die kritische Kosten- und Ertragslage weitgehend aus. Hinweise auf den Kapitalbedarf, den steigenden Handlungsdruck und zu erwartenden weiteren Personalabbau sucht man in ihren Informationen vergebens.

Betriebswirtschaftliches Gutachten des Gesamtbetriebsrats

Schon 2009 hat der Gesamtbetriebsrat das Saarbrückener <link http: www.info-institut.de _blank external-link-new-window info>undefinedINFO-Institut beauftragt, ein Gutachten zur betriebswirtschaftlichen Lage von SEN zu erstellen. Seine Fertigstellung hat sich immer wieder verzögert, weil wichtige Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt wurden. Schon heute bestätigten die die Gutachter aber, dass die Ausrichtung auf Software-Produkte und Dienstleitung richtig ist. Die Maßnahmen zur Realisierung dieses Strategiewechsels allerdings sind nicht durchgängig und überzeugend.

Arbeitnehmerseite geht Probleme proaktiv an

Die IG Metall und der Gesamtbetriebsrat lehnen es in dieser Situation ab, den Kopf in den Sand zu stecken. Noch gibt es Handlungsmöglichkeiten, wenngleich der finanzielle Spielraum enger geworden ist - wie sich höchstwahrscheinlich bei unvermeidbaren Sozialplanverhandlungen schnell zeigen wird. Die Arbeitnehmerseite bietet den Shareholdern Gores und Siemens nun an, gemeinsam ein Paket mit dem Ziel zu schnüren, dem ursprünglichen Siemens-Kernbereich SEN eine zukunftsfähige Perspektive mit möglichst vielen wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen zu verschaffen.

Gemeinsame Kraftanstrengung ...

Die Sanierung von SEN ist mit 200 Millionen Fremdkapital Euro und möglichen Beiträgen der Arbeitnehmerseite nicht zu bewerkstelligen, sondern erfordert darüber hinaus weitere finanzielle Beiträge der beiden Shareholder Gores und Siemens. Aus Arbeitnehmersicht kann es nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung und eine handlungsfähige Geschäftsführung gelingen, eine tragfähige Zukunftsperspektive für SEN zu gestalten. Im ersten Schritt muss dazu die Geschäftsführung unter anderem ihre Planung der künftigen Personalkapazität in den einzelnen Bereichen offenlegen, damit klar wird, wieviele Mitarbeiter mit welcher Qualifikation künftig gebraucht werden.

... statt einseitiger Reduzierungen

Die Arbeitnehmerseite wird sich nicht auf die Gestaltung von Personalreduzierungen beschränken. Ihr vorrangiges Ziel ist es vielmehr, möglichst vielen Beschäftigten die Chance neuer Qualifikationen zu geben. In diesem Zusammenhang sind Gesamtbetriebsrat und IG Metall aufgrund von Arbeitgeberforderungen zu Verhandlungen über Einsparungen in mehreren Bereichen bereit, sofern deren Volumen Beiträge der Shareholder in mindestens gleicher Höhe gegenüberstehen.

Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird dieser Prozess letztlich zu Einkommensminderungen und schlechteren Arbeitsbedingungen führen. IG Metall und Gesamtbetriebsrat betonen daher nachdrücklich: Ihre Kompromissbereitschaft ist an die Bedingung geknüpft, dass die verbleibenden Arbeitsplätze gesichert werden.