Siemens Dialog
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18.05.2024, 19:05 Uhr

Turbulente Hauptversammlung

  • 25.01.2008
  • Allgemein

Die Hauptversammlung der Siemens AG war erwartungsgemäß eine der unruhigsten ihrer Geschichte. Die Anteilseigner machten ihrem Ärger über Skandale und Affären Luft, auch durch die verschobene Entlastung etlicher Manager. Die Überzeugung, dass alle Fehltritte konsequent aufgearbeitet werden und gute Zahlen fürs erste Quartal 2008 sorgen dennoch dafür, dass Siemens zuversichtlich nach vorn blickt.

Die Entlastung etlicher Vorstände sowie Heinrich von Pierers wurde wie zuvor kurzfristig empfohlen mit Blick auf laufende Ermittlungen vertagt (siehe Vorstandsentlastung soll vertagt werden). Auf breite Anerkennung und Zustimmung stieß hingegen die konsequente Aufarbeitung durch CEO Peter Löscher und den Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme. Ihnen stärkte unter anderem die noch sechs Prozent an Siemens haltende Gründerfamilie den Rücken: "Wir haben Vertrauen zu diesem Kurs und unterstützen ihn."

Harte Worte für ehemaliges Management

Umso härter traf die Kritik der Aktionäre die frühere Konzernspitze. "Was in der Vergangenheit geschehen ist, ist ein Verbrechen an den Aktionären und Angestellten dieses Unternehmens", schimpfte der Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (<link http: www.sdk.org _blank>SdK); es sei "schwer vorstellbar", dass die ehemalige Führung nichts gewusst habe, ergänzte seine Kollegin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (<link http: www.dsw-info.de _blank>DSW). Zustimmung fanden hingegen die Zahlen für das abgelaufene Quartal, in dem Siemens die Erwartungen der Analysten übertreffen konnte (siehe Licht und Schatten zur Hauptversammlung).

"Integrierter Konzern" mit "aktivem Portfoliomanagement"

Aus Beschäftigtensicht brachte die Versammlung wenig Neues. Löscher bekräftigte seinen grundsätzlichen Willen, Siemens als integrierten Technologiekonzern zu erhalten. Ausdrücklich hob er die Bedeutung engen Kontakts zu den Arbeitnehmervertretern hervor. Mit Blick auf die AUB-Affäre wiederholte er seine Entschuldigung für "fehlgeleitetes Verhalten" in diesem Zusammenhang; Aufsichtsratsmitglied und IG Metall-Chef Berthold Huber dankte er für die stabilisierende Funktion der Gewerkschaft in unruhigen Zeiten.

Dass der Shareholder Value dennoch keineswegs plötzlich ins Hintertreffen gerät, liegt auf der Hand: Kräftig angehobene Margenziele, Spardruck auf die Verwaltungskosten und ein Plädoyer für "aktives Portfoliomanagement" sprechen eine deutliche Sprache. Was Umstrukturierungen betrifft, machte Löscher keine Umschweife: "Generell ist ein aktives Portfolio-Management ein aktiver Hebel, um Siemens schneller und fokussierter zu machen." Auf Nachfrage von Aktionären erklärte er erneut, dies beträfe derzeit in erster Linie Siemens Enterprise Networks (SEN), wo man in Gesprächen über Verkauf oder Partnerschaft sei.

Teure Affären

Finanzchef Joe Kaeser schlüsselte erstmal die Gesamtsumme dubioser Zahlungen auf die Bereiche auf. Insgesamt 1,3 Milliarden Euro in den Geschäftsjahren 1999 bis 2006 verteilen sich demnach mit 449 Millionen Euro auf Com, 301 auf Power Generation, 88 auf Transportation Systems, 80 auf Power Transmission and Distribution, 44 auf Med und 24 Millionen Euro auf Industrial Services and Solutions. Bei den restlichen Bereichen schließlich geht man derzeit von weiteren zehn Millionen Euro aus, hinzu kommen 258 Millionen Euro bei den Auslandsgesellschaften. Der durch die Schmiergeldaffäre entstandene Gesamtschaden beträgt laut Löscher derzeit 1,6 Milliarden Euro - ohne eine potenzielle Strafzahlung an die US-Börsenaufsicht <link http: www.sec.gov _blank>SEC.

Verhandlungen mit der SEC

Mit der, so berichtete Gerhard Cromme, wird man möglicherweise schon im Februar Gespräche aufnehmen, um zu einem "umfassenden und fairen Vergleich" zu kommen. Die SEC würdige das konsequente Bemühen um die Aufarbeitung der Affäre und räume ein, "dass wir auf dem richtigen Weg seien", so Cromme weiter; man darf davon ausgehen, dass damit zwar keineswegs Entwarnung gegeben ist, vielleicht aber zumindest die Hoffnung, eine allzu drakonische Strafe vermeiden zu können.