Siemens Dialog
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03.05.2024, 11:05 Uhr

Dumpinglohn nach Tarif

  • 13.12.2007
  • Allgemein

Leiharbeit in aller Munde: Das Thema bewegt mittlerweile längst nicht mehr nur Gewerkschaften. Der SWR strahlte am 10. Dezember eine Reportage aus, die sich mit äußert suspekten Tarifverträgen mancher Zeitarbeitsfirmen beschäftigt. Ein Stundenlohn: 4 Euro 80. Der Tarifpartner: eine "christliche" Tarifgemeinschaft.

Unter dem Titel Dumpinglohn nach Tarif - Was sich hinter den christlichen Gewerkschaften verbirgt ging <link http: www.swr.de report id="233454/nid=233454/did=2769040/vs2ba/index.html" _blank>Report Mainz der Frage nach, wer von solch einem Tarifvertrag eigentlich wirklich profitiert. Die Arbeitnehmer, das stand schnell fest, sind es bei einem Stundenlohn zwischen 4,80 € und 4,88 € offenbar nicht.

Anders sieht es da schon für die Unternehmen aus, die mit dem "Hungerlohn" (Report Mainz) eine Menge Geld sparen. Als Tarifpartner auf der anderen Seite profitiert die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (<link http: www.cgb.info organisation zeitarbeit.php _blank>CGZP), zu der unter anderem, wen wundert's, die die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) gehört.

Die als Tarifpartner generell und juristisch umstrittenen "Christlichen" mussten sich von den Reportern die Frage stellen lassen, was an einem Stundenlohn unter fünf Euro denn nun so christlich ist. Die undankbare Aufgabe der Antwort fiel an CGZP-Generalsekretär Gunter Smits (Foto CGZP). Dem allerdings fiel nur die erfolglose Taktik ein, erst einmal versuchsweise die Zahl von 4 Euro 81 Cent in Frage zu stellen: "Ich weiß nicht, woher sie diese Zahlen haben." Als man ihm daraufhin den entsprechenden Haustarifvertrag unter die Nase hielt, fiel bei ihm auch schon die Klappe: "Dazu gebe ich hier keine Auskunft." Aha.

"Arbeitgeberträume auf der Stelle erfüllt"

Deutlich redseliger zeigte sich da <link http: www.jura.uni-muenster.de go organisation institute zivilrecht aw2 organisation.html _blank>Professor Peter Schüren vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht der Universität Münster: "Unter dem Deckmantel eines Tarifvertrages wird der Billigstlohn realisiert. Mehr nicht. Eine solche Vergütung kann eigentlich nur dann entstehen, wenn Arbeitgeberträume auf der Stelle erfüllt werden."

Glücklicherweise geraten diese Träume zunehmend ins Wanken. Nicht nur wächst in der Industrie das Bewusstsein, dass Hungerlöhne für Leiharbeiter auf Dauer nicht akzeptabel sind, weshalb Firmen wie beispielsweise BMW oder Audi (siehe Gleiches Geld für gleiche Arbeit) sich zunehmend auf faire Regelungen einlassen.

Zweifel an der Tariffähigkeit

Auch die Arbeitsgerichte gehen immer konsequenter gegen den unübersehbaren Missbrauch vor, weiß Experte Schüren: "Wer heute in Deutschland als Leiharbeitnehmer mit der Aussage: ‚Ich bin mit einem christlichen Tarifvertrag um meine gesetzlichen Ansprüche geprellt worden’, vor das Arbeitsgericht zieht, wird, selbst wenn er sich nur vergleicht, deutlich mehr bekommen, als er vorher gehabt hat. [...] Die Arbeitsgerichte in Deutschland bezweifeln seit 2003 nahezu ausnahmslos die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit."