Siemens Dialog
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21.05.2024, 12:05 Uhr

Fressen und gefressen werden

  • 18.07.2008
  • Operativ

Noch hat die Continental AG die Übernahme von Siemens VDO ebenso wenig verdaut wie die betroffenen Beschäftigten, da wird sie selbst zum Übernahmekandidat. Die in Familienbesitz befindliche Schaeffler Gruppe schickt sich an, eine strategische Mehrheit an dem DAX-Unternehmen zu erwerben - ob's diesem nun passt oder nicht.

Nach ersten Gerüchten haben mittlerweile beide Seiten den Übernahmeversuch eingeräumt. Während Conti-CEO Manfred Wennemer lautstark schimpft und zetert, Schaefflers Vorgehen sei "egoistisch, selbstherrlich und verantwortungslos", scheint sich seine Hoffnung, der Überaschungsangriff sei börsenrechtlich wackelig, zu zerschlagen. Schaeffler-Geschäftsführer Jürgen Geissinger hat seinerseits "keinerlei Verständnis für den vom Vorstandsvorsitzenden der Continental AG gewählten Stil der Auseinandersetzung."

Ex-Siemens VDO: Kaum übernommen der nächste Sprung?

Friedlich hört sich all das nicht an, die Beschäftigten allerdings wird vor allem interessieren, was die mögliche, wenn auch bei weitem noch nicht sichere, Übernahme für sie bedeuten würde. Was für Conti-Beschäftigte insgesamt gilt, trifft dabei für Angehörige der Sparte VDO Automotive besonders zu. Sie sind soeben erst von Siemens zu Conti gewechselt und haben diesen alles andere als unproblematischen Übergang noch lange nicht abgeschlossen - man denke nur an den Standort Dormund, dessen Beschäftigte sich momentan mit aller Kraft gegen Verlagerung und Abbau wehren (Foto).

Industriepolitisch nicht uninteressant

Aus Arbeitnehmersicht könnte, so erste Reaktionen aus der IG Metall Bayern, eine strategische Beteiligung von Schaeffler bei Conti für die weitere Entwicklung im Automotive-Geschäft beider Unternehmen Sinn machen. Die Energiekrise, Klimadiskussion und andere Aspekte sorgen für einen schnellen Umbruch in der Automotive-Branche; die Bündelung von Know How und Technologien, von Mechanik und Elektronik könnte einen Wettbewerbsvorteil bedeuten.

Schaeffler: wachsende Bereitschaft zur Kommunikation mit der Arbeitnehmerseite

Für Continental und seine Beschäftigten ist ein langfristig und unternehmerisch orientierter Großaktionär aus der Branche derzeit vermutlich eine bessere Option, als durch die aktuelle Schwäche zum Schnäppchen für Finanzinvestoren zu geraten. Die Schaeffler Gruppe hat sich zwar sich in der Vergangenheit als Hardliner gegen Gewerkschaft und Betriebsräte positioniert und einen gutsherrlichen Führungsstil gepflegt. Aus Sicht der Betriebsräte aber gibt es in letzter Zeit Bewegung: "Wir stellen seit Spätherbst vorigen Jahres durchgehend eine starke Bereitschaft des Managements fest, mit uns zu kommunizieren", erklärte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Norbert Lenhard.

Inwiefern Schaeffler finanziell für sein Vorhaben genügend ausgerüstet ist, weiß derzeit wohl nur die Chefetage in Herzogenaurach; das Unternehmen in Familienbesitz ist trotz seiner bedeutenden Rolle am Weltmarkt nicht börsennotiert und damit auch nicht berichtspflichtig. Arbeitnehmervertreter kritisieren schon lange die damit verknüpfte restriktive Informationspolitik der Geschäftsführung, die Informationen mehr als argwöhnisch hütet. Auch hier könnte die Beteiligung an Conti Abhilfe schaffen; verleibte man sich eine DAX-Größe ein, wäre die Bildung eines Aufsichtsrats einschließlich der Arbeitnehmerbank gemäß Mitbestimmungsrecht wohl kaum mehr zu vermeiden.

Gemeinsames Statement der IG Metall Bayerns und Niedersachsens

Werner Neugebauer und Hartmut Meine, die IG Metall-Bezirksleiter der primär betroffenen Bezirke Bayern und Niedersachsen, beurteilen den Vorgang in einer gemeinsamen Stellungnahme. Wichtig ist demnach, "ob die Interessen der Beschäftigten gewahrt werden, die Sicherheit der Arbeitsplätze gegeben ist, die Flächentarifverträge eingehalten werden und die Mitbestimmung im Aufsichtsrat gegeben ist."

Sowohl Wennemer als auch Geissinger haben sich, so das Statement weiter, "leider in der Vergangenheit als Hardliner gegen Belegschaften und Gewerkschaften hervorgetan." Das Fazit zum jetzigen Zeitpunkt: "Eine technologische und strategische Zusammenarbeit der Schaeffler Gruppe und der Continental AG kann grundsätzlich sinnvoll sein. In jedem Fall muss die Schaeffler-Gruppe den Weg zur Unternehmensmitbestimmung gehen."

Übrigens: Eine redaktionell und technisch ursprünglich aus dem Siemens Dialog hervorgange Website der IG Metall für Beschäftigte der Schaeffler Gruppe findet sich unter <link http: www.igmetall.de schaeffler>www.igmetall.de/schaeffler/.