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03.05.2024, 05:05 Uhr

Arbeitssucht: "Die Zeiten sind danach"

  • 08.04.2009
  • Allgemein

Arbeitssucht ist ein Phänomen, das in der Wirtschaftswelt oft verharmlost oder zumindest nicht beim Namen genannt wird - schließlich entspricht es im Prinzip dem zugrundeliegenden Leistungskonzept. Experten warnen, gerade in Krisenzeiten erhöhe sich aus Angst um den Arbeitsplatz die "Selbstausbeutungsbereitschaft". Jeder siebte Beschäftigte ist potenziell gefährdet.

Ein Beitrag der "<link http: berufundchance.fazjob.net s rubb1e10a8367e8446897468edaa6ea0504 _blank external-link-new-window>undefinedFrankfurter Zeitung" schilderte Anfang April das Beispiel eines Mannes, der "gerne und viel gearbeitet" hat - zuviel, bis es zum Burnout mit bedrohlichen gesundheitlichen Folgen kam.

Zumindest im Anfangsstadium, so lautet die Erkenntnis, wird übertriebene Lesitungsbereitschaft in vielen Unternehmen nicht ungern gesehen: "Unbezahlte Überstunden finden Chefs in der Regel ganz prima." Der ehemals Betroffene, heute nach einer grundlegenden Neuorientierung Karrierecoach, fasst zusammen: "Wenn man sich auspowert, leistet man etwas, das sind ja Werte in unserer Gesellschaft."

Arbeit und Leben aus dem Gleichgewicht

Gemeint sind mit "Arbeitssucht" nicht etwa die fast überall auftretenden befristeten Phasen, in denen Auslastungsspitzen den vermehrten Einsatz erfordern, sondern der permanente Drang, die Arbeit qualitativ und quantitativ zum Lebensmittelpunkt zu machen. Die Betroffenen verlieren das Gleichgewicht zwischen Privatleben und Arbeit, die oft zitierte "Work-Life-Balance". Das Beispiel der "FAZ" beschreibt, was er heute als Coach wahrnimmt: "Sie versuchen, ein Loch in sich zu füllen, kümmern sich aber nicht um das Loch, sondern nur um das Füllen. Ich erkenne das heute bei vielen Managern. Viele sind an der Grenze."

Erhöhtes Risiko in wirtschaftlichen Krisenzeiten

Eine andere Karriereexpertin und Wirtschaftspsychologin betont, das Phänomen falle besonders in wirtschaftlichen Krisenzeiten weniger auf: "Die Leute klammern sich an ihren Job. Das ist verständlich." Ein Psychologe des Beratungsunternehmen <link http: www.tuv.com de unser_team.html _blank external-link-new-window>undefinedImpuls, einem Tochterunternehmen von TÜV-Rheinland, kommt zu dem selben Eindruck: "Ich muss meine Unverzichtbarkeit vorführen. Wenn jemand entlassen wird, dann nicht ich. Denn ich bin der Leistungsträger. Es kommt zu einer erhöhten Selbstausbeutungsbereitschaft."

"Mission Impossible"

Jeder siebte Arbeitnehmer ist nach den Untersuchungen des Psychologen potenziell gefährdet, 300.000 "schwere Fälle" werden in Deutschland vermutet. Ein Anwachsen im Zuge der Wirtschaftskrise wäre wenig erstaunlich, denn, wie die "FAZ" formuliert, "die Zeiten sind danach." Das gilt häufig auch für die verantwortlichen Arbeitgeber, die viele Beschäftigte "einer "Mission Impossible"aussetzen, mit anderen Worten: "Die ihnen zugeteilte Arbeit ist nicht zu bewältigen, schon gar nicht in der bezahlten Zeit." Betroffen sind nicht etwa "nur" einige Toppmanager, sondern die ganze Bandbreite der Arbeitswelt.

Gesunder Egoismus gegen Leistungsdruck

Als Prophylaxe empfehlen Fachleute einen gesunden Egoismus gegenüber dem allgegenwärtigen Leistungsdruck. Der Karrierecoach fasst zusammen, worauf man als Beschäftigter achten sollte: "Missbrauchsfallen sind überall aufgestellt. Selbstliebe ist die Basis für alles. Daran krankt die Businesswelt. Man opfert sich bitte schön auf für sein Unternehmen."