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01.05.2024, 16:05 Uhr

"Kapitale Degeneration des Rechtsempfindens"

  • 17.06.2008
  • Allgemein

Im Prozess gegen den ehemaligen Siemens-Manager Reinhard Siekaczek sagte am Montag der frühere ICM-Bereichsvorstand und heutige Chief Financial Officer Joe Kaeser aus. Er bestreitet jede Art von Mitwisserschaft vehement und betonte: "Ich hätte solche schwarzen Kassen niemals geduldet."

Von den Ermittlungen sei er entsprechend bestürzt gewesen, da Bestechung "in meinen Werten nicht vorkommt", versicherte Kaeser (Foto). Er hätte sich vor den Enthüllungen ein derartiges System schwarzer Kassen nicht vorstellen können, das obendrein offenbar mit einer "beachtlichen Akribie geplant" war.

Fragmentierte Kontrollprozesse

Als Kaeser im April 2001 aus der Abteilung Bilanzierung, Controlling und Steuern in den Bereichsvorstand von Information and Communication Mobile wechselte, hatte er nach eigener Darstellung den Auftrag, das damals bereits erkennbar bröckelnde Handy-Geschäft flottzumachen - dies aber ausschließlich mit legalen Methoden. Zu seiner Zeit bei bei ICN habe es keine Hinweise auf Schmiergeldzahlungen gegeben; weshalb weder Revision noch Controlling die illegalen Zahlungen auffielen, könne er nicht erklären, aber: "Das Unternehmen war in seinen Kontrollprozessen sehr fragmentiert. [...] Natürlich hätte man gewünscht, dass die Wirtschaftsprüfer [von KPMG] diese Dinge feststellen."

Nicht nur Schurken

Sein Urteil darüber, was das Korruptionssystem über die Integrität der Mitwirkenden aussagt, deckt sich mit dem des Richters Peter Noll. Dieser hatte vergangene Woche eine "Erosion des Rechtsbewusstseins" festgestellt, Kaeser diagnostiziert eine "kapitale Degeneration des Rechtsempfindens". Gleichzeitig unterstreicht er jedoch, was angesichts der teils schockierenden Enthüllungen in der Tat immer wieder betont werden muss: "Das Unternehmen ist nicht eine ganze Heerschar von Kriminellen und Schurken."