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10.05.2024, 23:05 Uhr

Schon Anlage schwarzer Kassen strafbar

  • 01.09.2008
  • Allgemein

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs zu den Schmiergeldzahlungen bei Siemens sorgt für Aufsehen in der Wirtschaftsjustiz: Bereits die Bildung schwarzer Kassen ist strafbar. Die Entscheidung weitet nach Einschätzung von Experten die Strafbarkeit von Korruption aus und dürfte künftig als Grundsatzurteil für ähnliche Prozesse gelten.

Das Urteil vom vergangenen Freitag bewertet erstmals schon das Anlegen und Führen schwarzer Kassen als Untreue gegen ein Unternehmen, also nicht erst in der Folge damit verbundene Bestechung. Die Karlsruher Richter eröffnen damit die Möglichkeit, korrupte Mitarbeitern bereits im Vorfeld von Schmiergeldzahlungen zu betrafen.

Anlass des Urteils war die Befassung des BGH mit dem Urteil des Landgerichts Darmstadt gegen den früheren Finanzchef der Siemens-Kraftwerkssparte, der im Zusammenhang mit Zahlungen an den italienischen Elektrokonzern Enel wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr und Untreue zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden war (siehe Staatsanwalt im Haus und Ohrfeige von der Justiz).

'Gewinnabschöpfung' bei Siemens nicht rechtens

Karlsruhe hob das Urteil teilweise auf und ordnete eine neue Entscheidung des Landgerichts an. Außerdem wies es die 'Gewinnabschöpfung' ab, für die Siemens 38 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen sollte. Als Begründung führen die Richter an, dafür hätte Siemens durch die Straftat begünstigt worden müssen; tatsächlich sei die Firma jedoch durch die Untreue ihres Mitarbeiters geschädigt worden.

Illegalität entsteht mit der schwarzen Kasse

Der für die Strafbarkeit schwarzer Kassen entscheidende Passus des Urteils liegt in der Feststellung der BGH-Senatsvorsitzenden Ruth Rissing-van Saan, Siemens habe schon vor den Schmiergeldzahlungen - eben durch das Führen schwarzer Kassen - Schaden erlitten: "Indem der Angeklagte Gelder der Siemens AG dieser vorenthielt und in verdeckten Kassen führte, entzog er das Vermögen seiner Arbeitgeberin."

Als unerheblich gilt nach dem Urteil ausdrücklich auch, dass das Geld zugunsten des Unternehmens eingesetzt werden sollte. Untreue kann darüber hinaus auch dann vorliegen, wenn die Unternehmensführung sie duldet: "Maßgeblich ist allein der Wille der Anteilseigner."

Ausweitung bei Siemens?

Neben der grundsätzlichen Bedeutung des Urteils wird es sich vermutlich auch konkret auf den ursprünglichen Auslöser Siemens auswirken. Bundesanwalt Wilhelm Schmidt wies auf den Einfluss der Entscheidung auf die laufenden Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft hin: "Die werden sicherlich Honig daraus saugen."