Siemens Dialog
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29.04.2024, 05:04 Uhr

Neues aus Absurdistan

  • 14.03.2008
  • Konzern

Wie mehrfach berichtet finden im Betrieb München Perlach der Siemens AG Mitte April Betriebsratswahlen statt. Sie waren aufgrund der (Re-)Integration der SIS in die Siemens AG und der damit erfolgten Zusammenlegung der beiden Betriebsratseinheiten in Perlach erforderlich geworden. Nun greift die AUB zum letzten Strohhalm und klagt gegen die Wahlen.

Wenn's nach der AUB geht, bleibt's dabei: Wer Per-<br>lach betritt, gerät in eine mitbestimmungsfreie Zone.

Wie ebenfalls berichtet sträubte sich die AUB-Mehrheit im SIS Betriebsrat nicht nur gegen die Wahlen, die sie eigentlich hätte einleiten müssen, sondern weigerte sich zudem, ihr Mandat, das sie seit dem 1.1.2008 für alle Mitarbeiter in Perlach hat, auszuüben.

Ohne Rücksicht auf Verluste

Das hatte bereits weitreichende Folgen, da zum Beispiel bei der Umorganisation der Abteilung CIO (600 MitarbeiterInnen) und dem Verkauf der Abteilung Gesundheitskarte (120 MitarbeiterInnen) einiges zu regeln war. Die AUB-Mehrheit bei SIS weigerte sich jedoch hier wie in anderen Fällen strikt, die Interessen der Betroffenen wahrzunehmen. Angesichts dieser unhaltbaren gesetzes- widrigen Zustände hat der Gesamtbetriebsrat der Siemens AG mit der Wahl eines Wahlvorstandes Neuwahlen eingeleitet, in der alle Beschäftigten in Perlach ihre Interessenvertreter demokratisch wählen können.

Hanebüchenes Demokratieverständnis

Dieses Recht will die "Unabhängige" Mehrheit nun per einstweiliger Verfügung beim Arbeitsgericht München kassieren. Mit dieser soll dem Wahlvorstand verboten werden, die Wahlen durchzuführen. Ein in der Tat nicht nur platterdings hanebüchenes Demokratieverständnis sondern – soweit man die Begründung dieses Ansinnens liest – ein sachlich wie rechtlich gesehen herbes Stück Absurdistan. Das Grundargument der "Unabhängigen" lautet nämlich, es gäbe in Perlach gar keinen einheitlichen Betrieb, sondern der ehemalige SIS Betrieb existiere völlig losgelöst vom Rest der Siemens AG einfach weiter.

"Während die Siemens AG SIS Region Südbayern als Dienstleiter für IT-Lösungen eine Querschnittsfunktion über alle Siemensbereiche ... ausübt, ist der Betrieb Siemens AG München Perlach ein in sich geschlossener Zentralbereich, der sich weit überwiegend um Forschung und Entwicklung kümmert [...]" - da fragt man sich doch, wo diese Damen und Herren der AUB in den letzten Jahren und Monaten gelebt haben. Wahrscheinlich hat der von Herrn Schelsky und der Siemens AG gesponserte wiederholte Aufenthalt in deutschen Luxushotels unter dem Label "AUB-Betriebsratsschulung" bewusstseinserweiternde Einflüsse gehabt.

Doch Spaß beiseite: Die Abteilung SIS der Siemens AG in Perlach übt angeblich eine Querschnittsfunktion für alle Siemens Bereiche aus, während die anderen Abteilungen in Perlach in sich geschlossene Bereiche sind, die sich überwiegend mit sich selbst als Forscher und Entwickler beschäftigen. Geschlossene Bereiche finden sich in München Perlach – Gott sei Dank – nicht, die sind eher in München Haar zu finden. Falls Corporate Technologie (CT) mit der geschlossen Abteilung gemeint sein sollte, so forscht man hier nicht an und für sich sondern – Potz Blitz – als Querschnittfunktion für alle Siemens Bereiche. Weiter gibt es in Perlach nicht nur die Abteilungen SIS und CT sondern zum Beispiel auch CIO, die sich querschnittsfunktional mit der Siemens-internen IT befasst, die wiederum zum überwiegenden Teil von SIS betrieben wird. hinzu kommen SRE und SFS die sich in ähnlicher Querfunktion mit Gebäudemanagement und Finanzierungen befassen.

Kein Blick für Gemeinsamkeiten

Diese offensichtlichen Gemeinsamkeiten hat man jedoch bei der AUB wohl über all die Jahre nicht bemerkt. Und die Entwicklung der letzten 12 Monate schon gar nicht - seitdem nämlich werden Funktion und Geschäftsmodell der SIS neu bestimmt: Integration und Neuausrichtung des SIS-Portfolios auf die Siemens Bereiche Healthcare, Industry und Energy. Mit CIO, also der Siemens IT-Infrastruktur, sollte man schon voll integriert sein. Aber nein:

"Alle wesentlichen Teile der Arbeitsorganisation bestehen getrennt voneinander und verfügen über eine voneinander getrennte Leitung, die völlig selbstständig und ohne Berücksichtigung der Belange der Parallelabteilung agieren […] Die Belegschaften beider Betriebe [gemeint sind die Abteilungen der Siemens AG in Perlach] arbeiten voneinander getrennt. Es gibt keinen Austausch von Arbeitskräften, es gibt keine Zusammenarbeit von Arbeitskräften beider Betriebe."

So sehen das die "Unabhängigen". Jeder werkelt demnach für sich, ohne Rücksicht auf die Nachbarabteilung, ein betriebswirtschaftliches Horrorszenario. Es wurde ja oben mit der SIS-Integration schon gezeigt, dass glücklicherweise das blanke Gegenteil der Fall ist und zunehmend der Fall sein wird. Aber den AUBlern bei der SIS ist diese für alle nutzbringende Zusammenarbeit wohl ebenso entgangen wie die Tatsache, dass seit dem 1.6.2007 die Mitarbeiter in Perlach per einfacher Versetzung zwischen Abteilungen SIS, CIO oder CT wechseln können und das auch zahlreich tun, weil es sich eben seit acht Monaten um eine Firma und einen Betrieb handelt.

Leblose Leitung, lebendige Arbeitsorganisation?

"Die Siemens AG behauptet, zum 1.1.2008 eine einheitliche Leitung für beide Betriebe [gemeint alle Abteilungen in Perlach] installiert zu haben […] Diese Behauptung ist falsch. Möglicherweise gibt es eine aus einem Organigramm ersichtliche Leitung. Diese Leitung ist jedoch leblos und berührt die beiden lebendigen Arbeitsorganisationen nicht."

Die sofortige Einschaltung des Betriebsärztlichen Dienstes hat ergeben, dass die Herren Baumann, Gorbasch, die Dame Fischer etc. quietschlebendig sind und der Betrieb Perlach nicht von Zombies geleitet wird, wie die "Unabhängigen" hier unterstellen. Bleibt zu hoffen, dass diese Leitung auch noch Berührungspunkte zur lebenden Workforce etabliert hat und sich nicht, wie die AUBler nahelegen, in himmlischer Transzendenz tummelt.

Jeder für sich und niemand gemeinsam

All diese absurden Argumente werden allein zum Zwecke der Demokratiebekämpfung aufgeführt. Da man von den "Unabhängigen" in dieser Hinsicht eh' nix mehr erwartet, könnte man sich je nach Temperament mit Grausen oder Schulterzucken abwenden. Aber sie schaden damit nicht nur ihrem ohnehin schon ramponierten eigenen Ruf, sondern nehmen die Perlacher Kollegen sozusagen in Sippenhaft: Die SIS-MitarbeiterInnen sind angeblich kooperationsunfähige und -willige IT-Tüftler, die mit dem Rest der Kollegen am Standort nichts gemein haben, CTler sitzen im geschlossenen Elfenbeinturm und grübeln über die Zukunft, der Rest fällt gleich unter den Tisch.

Das ist das genaue Gegenteil dessen, was die Mitarbeiter am Standort brauchen: Die Abteilungen, SIS, CIO, CT, in Perlach befinden sich im Umbruch. Weder ist die Integration der SIS abgeschlossen, noch der Umbau von CIO oder Global Shared Services und CT. Diese Umbrüche gemeinsam, mit geeinten Kräften und einer einheitlichen Interessenvertretung aktiv anzugehen - das steht an.

Nicht so für die "Unabhängigen" AUBler. Die rennen zum Gericht, um die Wahlen und damit die Konzentration auf die Zukunft zu behindern. Dass das wohl nichts wird, entscheidet sich am Mittwoch.
Wir werden berichten.