Siemens Dialog
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27.04.2024, 07:04 Uhr

Nichts dazugelernt

  • 11.06.2009
  • Allgemein

Auf einer Investorenkonferenz präsentierte Peter Löscher am Mittwoch die aktuelle Unternehmenslage. Wenngleich die Wirtschaftskrise sich spürbar auswirkt, hält er an den korrigierten Jahreszielen fest. Analysten hindert das allerdings nicht daran, wie eh und je in bester Shareholder Value-Manier auf Einsparungen zu drängen - natürlich per Stellenabbau.

In den Problemsparten sei noch keine Wende auszumachen, so Löscher in London, an der Ende April gesenkten Jahresprognose halte man aber ausdrücklich fest und erwarte in den drei Sektoren weiter ein Ergebnis über dem Vorjahresniveau von 6,6 Milliarden Euro.

In der Industrieautomatisierung gibt es zwar Anzeichen, dass die Talsohle erreicht ist, nicht aber von einem Wiederanziehen; angespannt bleibt die Situation auch bei der Antriebstechnik und Osram. Healthcare hält sich laut Löschers <link http: w1.siemens.com investor pool en investor_relations financial_publications speeches_and_presentations jpm_2009.pdf _blank external-link-new-window>Präsentation relativ gut, obwohl Einsparungen im US-Markt dem Bereich zu schaffen machen; bei Energy helfen Aufträge vor allem für Windkraft-Anlagen, dunkle Wolken über dem klassischen Kraftwerkgeschäft zu kompensieren.

Ein wichtiger positiver Faktor sind auch die nach wie vor gut gefüllten Auftragsbücher. Bislang gibt es weiterhin keine nennenswerten Stornierungen, dafür nehmen allerdings Verschiebungen zu. Das Auftragspolster umfasst derzeit 87 Milliarden Euro, 23 davon sollen bis Ende September abgearbeitet werden.

Wenngleich die Börse diese Zuversicht mit einem Kurssprung um rund drei Prozent quittierte, konzentrierte sich der Gastgeber der Konferenz, JP Morgan, vor allem auf die unbestreitbaren negativen Aspekte. Analyst Andreas Willi rechnet kommenden Geschäftsjahr mit dem Entfallen von rund 10.000 Stellen und begründet diesse Annahme mit dem aktuellen Stand der Kurzarbeit und dem bereits erfolgten oder laufenden Abbau von Leiharbeit. In einer Studie argumentierte er kürzlich, der bereits eingeleitete Abbau von rund 17.000 Arbeitsplätzen reiche nicht aus, weil er vor der Krise berechnet wurde und strukturelle Probleme beseitigen solle.

Klar wird mit derlei gewagten Zahlenspielchen wohl vor allem, dass man bei Analysten und Beratungen aus den verheerenden Folgen der emsig selbst mitverursachten Krise offenbar wenig oder nichts gelernt hat. Der ewige Spardruck auf Kosten des Personals mit dem Mittel der selbsterfüllenden Prophezeiung wird nicht geringer; dass derlei Maßnahmen viel zu kurzfristig greifen, dass nachhaltiger Erfolg damit nicht nur verfehlt, sondern sogar gefährdet wird, will oder kann man offenbar nicht begreifen.

Analyst Willi jedenfalls verbreitet selbstbewusst, Siemens wolle nach der Bundestagstagswahl im September neuen Abbaupläne verkünden - ungeachtet des glasklaren Dementis vom Mai (siehe Keine neuen Sparprogramme), ungeachtet der zunehmenden Diskussion um neue Ansätze, und erst recht ungeachtet bestehender Beschäftigungssicherungen. Es bleibt zu hoffen, dass das Management getreu der früheren Devise "You analyze, we manage" dem Drängen der Analysten widersteht.