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04.05.2024, 00:05 Uhr

"Viel Verantwortung in schwieriger Zeit"

  • 01.09.2009
  • Allgemein

Im Endspurt des Bundestagswahlkampfes gehört die Positionierung gegenüber den Gewerkschaften zur Kür der KandidatInnen. Verderben möchte man sich es mit ihnen als politischem Arm von Millionen deutscher ArbeitnehmerInnen äußerst ungern - und so häufen sich ungewöhnlich kuschelige Töne.

(Foto: Regierung online)

Für vergangenen Freitag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Vertreter führender Gewerkschaften ins Kanzleramt eingeladen, und deren Rolle als "wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte" des Konjunktur-programms in der Krise unterstrichen. Die sanften Töne gingen einer schwierigen Aufgabe voran: Die trotz der gewohnten Zurückhaltung mit Wahlempfehlungen offen geäußerten Befürchtungen hinsichtlich einer schwarz-gelben Koalition in Berlin zu mildern.

Schwarz-Gelb "schlechteste aller Optionen"

Als "schlechteste aller Optionen" hatte etwa der erste IG Metall-Vorsitzende Berhold Huber Schwarz-Gelb zuvor gegenüber Journalisten bezeichnet; seine KollegInnen in den Vorständen der DGB-Gewerkschaften teilen diese Einschätzung unverkennbar. Die Gründe dafür dürfte auch die Bundeskanzlerin schwerlich ausgeräumt haben: An der Sorge vor einem ungebremsten Comeback des Neoliberalismus ändern Nettigkeiten wie ein "herzliches Dankeschön für viel Verantwortung in schwieriger Zeit" wenig.

'Flexibilisierung' des Arbeitsrechtes

Im Vordergrund stehen unter anderem die massiven Bemühungen der klassischen FDP-Klientel, schon jetzt den Boden für eine 'Flexibilisierung' des Arbeitsrechtes und insbesondere des Kündigungsschutzes zu bereiten (siehe Kündigungsschutz im Visier). Merkel, ihr CSU-Kollege Horst Seehofer und etliche andere Unionspolitiker versichern zwar, Rosskuren am Arbeitsmarkt oder bei den Sozialversicherungen werde es nicht geben. "Dass durch ein Schleifen des Kündigungsschutzes Arbeitsplätze entstehen, ist übrigens eine Mär, die längst widerlegt ist", übernahm beipielsweise der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Eins zu Eins eine Gewerkschaftsaussage.

Soviel Bekenntnis macht zumindest denkbar, dass die Union wenigstens den Kündigungsschutz unangetastet lassen will. Dummerweise dürfte nach den Erfolgen der Landtagswahlen am Wochenende das Selbstbewusstsein des Wunschpartners FDP gegenüber der Union nochmals kräftig steigen, und in dessen Wahlprogramm stehen ganz andere Aussagen - es fordert so eindeutig einschneidende Änderungen bei Kündigungsschutz und Mitbestimmung, dass FDP-Vertreter praktisch gar nicht erst wirklich versuchen, sie zu differenzieren.

Mindestlohn, Altersteilzeit, Rente 67: keine große Resonanz

Bei anderen Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsthemen wie etwa dem flächendeckenden Mindestlohn, einer Verlängerung der geförderten Altersteilzeit oder gar der Rente mit 67 sind die Gewerkschafter bei der Kanzlerin, so DGB-Chef Michael Sommer nach dem Treffen, "nicht auf große Resonanz gestoßen". Anders ist das bei den Sozialdemokraten, die zwar bekanntlich ebenfalls nicht bei allen Themen die Position der Gewerkschaften teilen, aber immerhin bei mehreren (siehe Einsatz für die Altersteilzeit). Wie sich die Standpunkte insgesamt vertragen, wird sich vielleicht am heutigen Dienstag erweisen - da nämlich treffen sich die Gewerkschaftsführer wieder in Berlin, dieses Mal bei SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier.