Unter diesem Motto stand die diesjährige Betriebsräteversammlung der Siemens AG am 19. und 20. November in Berlin. Der Name ist Programm - Betriebsräte, Gesamtbetriebsrat und IG Metall ziehen für die Zukunftsperspektiven von Siemens-Standorten und -Beschäftigten an einem Strang.
Zwei Tage lang diskutierten fast 600 Betriebsräte intern und mit der durch Arbeitsdirektor Siegfried Russwurm vertretenen Firmenseite über die aktuelle Situation bei Siemens aus Arbeitnehmersicht. Nachdem im vergangenen Jahr vor allem das gescheiterte "Siemens 2014" und der Amtsantritt Joe Kaesers die Versammlung prägten, stand dieses Mal die Umorganisation mitsamt ihrer vielfältigen Auswirkungen im Fokus.
Teile des Ganzen: Gesamtbetriebsrat ...
Nach der Begrüßung durch die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn präsentierte ihr Stellvertreter Robert Kensbock unter dem Begriff "Teil des Ganzen" den derzeitigen Gesamtbetriebsrat. Zusammengehörigkeit und gemeinsame Funktion wurden anschaulich durch ein übergroßes Puzzle symbolisiert, in das sich jeder seiner Ausschüsse mit einem Stück einfügte.
... und IG Metall
Das letzte Teil setzte das Siemens Team der IG Metall ein. Als sein ursprünglicher Initiator und ständiger Antrieb der IG Metall bei Siemens wurde als nächstes Berthold Huber begrüßt, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens AG und bis Ende 2013 erster Vorsitzender der IG Metall. Er blickte auf die Entwicklung der Interessenvertretung bei Siemens zurück und kündigte an, sich nach der nächsten Hauptversammlung aus dem Kontrollgremium zurückzuziehen. Steinborn dankte ihm für seine langjährige Arbeit, ohne die viele Meilensteine schwer oder gar nicht erreicht worden wären. Als Nachfolger für das freiwerdende Mandat kündigte Huber Reinhard Hahn an, seit über drei Jahren Leiter des Siemens Teams.
Mehr Mensch oder mehr Marge?
Den Tagesabschluss bildeten Podiumsdiskussionen zu aktuellen Themen - Mobility, Healthcare, Energy, RC-DE und Industrie 4.0. Betriebsräte berichteten vom derzeitigen Stand in den jeweiligen Bereichen, den Herausforderungen, ihren Erfahrungen und ihren Erwartungen zur weiteren Entwicklung. Siemens, daran gibt es keinerlei Zweifel, war, ist und bleibt in Bewegung - es ist an den Betriebsräten, mit einer Vielzahl von Ansätzen sicherzustellen, dass diese Dynamik weder in die falsche Richtung läuft, noch Beschäftigte unter ihre Räder geraten.
Wir für den Standort Deutschland! Wir für One Siemens - aber mit allen!
Den zweiten Tag eröffnete Birgit Steinborn mit einer Grundsatzrede zur Zukunft von Arbeit und Industrie nicht nur bei Siemens. Gemäß des Mottos "Wir für den Standort Deutschland" erinnerte sie den Siemens-Vorstand an die Wurzeln des Unternehmens, "unsere Stärken wie Technologiekompetenz und soziale Leistungen auszubauen und Mitbestimmung und Beteiligung der Arbeitnehmerschaft." Die von Kaeser beschworene Ruhe, so Steinborn, macht sich bislang rar: Im Mai verkündete er den größten Konzernumbau seit 1989, es folgte der Übernahmekampf um Alstom samt etlicher Fragezeichen für das Bahngeschäft, und: "Dann wurde Metals verkauft. Dann Verkauf der Healthcare IT und nun des Hörgerätegeschäfts. Aus dem Gemeinschaftsunternehmen Bosch Siemens Hausgeräte hat man sich auch verabschiedet. Und zu guter Letzt noch die Ausgliederung von Healthcare aus der Siemens AG."
Wachstumsstrategie in Deutschland
Ein erster Interessenausgleich schützt die Beschäftigten vor eventuellen Nachteilen im Zuge der Organisationsänderung. Dennoch ist kein Geheimnis, dass es mit Veränderungen auf dem Papier nicht getan sein wird. Steinborn forderte Umsicht und Augenmaß bei den weiteren Schritte, etwa durch Qualifizierung und interne Versetzungen statt Stellenabbau. Nachdrücklich warnte sie Russwurm vor Fehlern der Vergangenheit: "Wir wollen keine neue Salamitaktik! Legen Sie uns alle Maßnahmen mit allen Auswirkungen offen auf den Tisch!" Portfolio, Vision 2020, Healthcare, Flughafenlogistik LAS, Abbau in den Energiedivisionen, Bahngeschäft, Digitalisierung und Industrie 4.0 - die von der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden genannte Liste der Fragen und Herausforderungen ist lang. Aus Sicht der Betriebsräte und der IG Metall gibt es viele mögliche Antworten und Ansätze, die sich sämtlich zu einem gemeinsamen Fazit führen: "Wir brauchen eine aktive Wachstumsstrategie für Siemens in Deutschland."
Kritische Aussprache
Der Arbeitsdirektor legte im Anschluss den Bericht der Firmenseite vor und stellte sich dann der Aussprache. Und die hatte es in sich: Eine Flut kritischer Beiträge kamen von Betriebsräten der LAS und sämtlichen von Abbauplänen betroffenen Energie-Standorten, KollegInnen der Konzerntöchter kritisierten Unterschiede in den Arbeitsbedingungen, solche aus den Niederlassungen unsinnige Prozesse und mangelnde Bewegungsfreiheit. Vertreter aus Mobility- und Healthcare-Betrieben berichteten nachdrücklich von der spürbaren Verunsicherung in den Betrieben und forderten klare Bekenntnisse zu ihren Bereichen. IG Metall-Hauptkassierer und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner traf unübersehbar den Nerv der Versammlung, als er in diesem Zusammenhang öffentlichen Abwiegelungen Kaesers widersprach: "Beunruhigung und Sorgen werden nicht von außen und nicht von der IG Metall in die Belegschaften hineingetragen, sie sind in den Betrieben weit verbreitet."
Zusammenhalten, zusammen handeln
Im Fazit unterstrich die Betriebsräteversammlung 2014 ein weiteres Mal die tragende, stetig an Bedeutung zunehmende Rolle der Arbeitnehmerseite im Siemens-Konzern. Gesamtbetriebsrat, örtliche Betriebsräte und IG Metall sehen dem Management kompetent und genau auf die Finger. Sie beschränken sich nicht auf Reaktionen, sondern mischen sich proaktiv ein, sie erarbeiten eigene Ansätze und Strategien, mit denen sie die Richtung von Siemens nachhaltig mitbestimmen.