Siemens Dialog
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21.05.2024, 08:05 Uhr

"Irgendetwas schief"

  • 07.10.2008
  • Allgemein

Im AUB-Prozess hat es bislang kaum bemerkenswerte Überraschungen gegeben. Statt dessen bestätigt sich zunehmend, was bereits zuvor bekannt geworden war und oft plausibel schien. Zum Beispiel die Annahme, bei Siemens seien viele lange Zeit in den inoffiziellen Pakt zwischen mit den "Unabhängigen" eingeweiht gewesen oder hätten zumindest davon gewusst.

Während sich Johannes Feldmayer zum Kreis derer, die über die AUB-Abmachungen informiert waren, äußerst zugeknöpft gab, hatte Wilhelm Schelsky selbst bereits das Einverständnis der Chefetage für seinen "Auftrag" als selbstverständlich dargestellt. Ein früherer Vorsitzender des Siemens-Sprecherausschusses der Leitenden Angestellten hat nun zu Wochenbeginn als Zeuge ausgesagt, er habe schon in den neunziger Jahren von den Aktivitäten Wilhelm Schelsky gewusst, ein Einschreiten aber gescheut.

"Nicht unter dem Namen Siemens"

Damit bestätigt sich die Vermutung, dass nicht nur eine Handvoll unmittelbar Beteiligter Bescheid über die im Verborgenen gepflegten Beziehungen zur AUB gewusst haben kann. Der Zeuge wusste jedenfalls, dass Schelsky Siemens verlassen hatte, "um Dinge zu tun, die man unter dem Namen Siemens nicht tun wollte". Und natürlich war ihm angesichts der Umstände "klar, dass da irgendetwas schief war"; gewusst habe er auch, dass die damaligen Siemens-Zentralvorstände Günther Wilhelm und Hermann Franz Schelskys Arbeit "sehr schätzten".

Er selbst wollte mit der Angelegenheit nach eigener Aussage eigentlich lieber "nichts zu tun haben", hatte aber keine Wahl. Im Jahr 2001 habe er daher für Schelsky einen Kontakt zu Feldmayer hergestellt, um seinen Vertrag zu verlängern. Außerdem sei er schon Ende der 90er gemeinsam mit einem Kollegen mit einer firmeninternen Betriebsprüfung bei Schelsky beauftragt worden und dabei auf Rechnungen für zweckentfremdete Siemens-Gelder gestoßen.

Man habe den AUB-Chef darauf hingewiesen, dass Dinge wie die Unterstützung von Sportvereinen seine Privatangelegenheit seien - soviel zu Schelsky Aussage, auch diese Art von Aufwendungen sei ganz im Dienste Siemens' gewesen. Sein mit der Angelegenheit weitaus vertrauterer Kollege, so der Zeuge weiter, habe diese Beanstandungen allerdings nicht weiter gemeldet, genauso wenig wie er selbst.

Viele japanische Affen

Die Frage, warum über Jahre hinweg niemand bei Siemens die dubiosen Vorgänge und Umstände jemals offiziell zur Sprache brachte, steht seit Beginn der Enthüllungen im Raum. Nun festigt sich die wahrscheinlichste Antwort allmählich immer mehr: Wer seine Karriere nicht durch übereifrige Korrektheit in dieser Angelegenheit gefährden wollte, verhielt sich am besten so, wie es der Zeuge für sich selbst beschrieb: "Nichts hören, nichts sehen, nichts reden".