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16.05.2024, 19:05 Uhr

Prozessbeginn in der AUB-Affäre

  • 24.09.2008
  • Allgemein

Nach über 18 Ermittlungsmonaten ist es soweit: Am Mittwoch beginnt in Nürnberg der Prozess um das, was unter dem Namen "AUB-Affäre" bekannt wurde. Ein Berg von Akten und über 30 Zeugen sollen Licht in ein Dickicht aus zweifelhaften Beziehungen bringen, das seinen Anfang vor Jahren bei Siemens nahm.

Das Interesse am Prozess ist enorm, rund 80 Medienvertreter haben sich angemeldet. Sie wollen einen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bislang wohl einmaligen Fall beobachten, der mittlerweile längst nicht mehr 'nur' eine Sache zwischen Siemens und der AUB ist, sondern auch die Politik und selbst den Sport erfasst hat. Bei Siemens selbst sind außer dem ebenfalls angeklagten Johannes Feldmayer unterdessen weitere ehemalige Manager auf die eine oder andere Weise in den Fall hineingeraten, darunter Ex- Aufsichtsratschef Hermann Franz.

40 Unternehmen AUB-"Kunden"

Die Masse der Details sickerte seit Beginn der Ermittlungen auf verschiedenen Wegen an die Öffentlichkeit. Dass Siemens offenbar jahrelang gezielt versuchte, die AUB als handzahme Gegengewerkschaft zur IG Metall aufzubauen und sich dieses Vorgehen Millionen für die AUB kosten ließ, gilt allgemein als gesicherte Erkenntnis; dass die IG Metall dadurch massiv benachteiligt wurde, liegt auf der Hand. Neu ist kurz vor Prozessbeginn, sofern sich Informationen des "

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" bestätigen, dass außer Siemens und, in kleinerem Umfang, Aldi Nord weitere knapp 40 Unternehmen die Dienste Wilhelm Schelskys in Anspruch genommen haben sollen. Die selbst ernannte "Anti-Gewerkschaft" AUB beziehungsweise ihr langjähriger Chef war offenbar auf Expansionskurs, als ihr zweifelhaftes Geschäftsmodell ins Wanken geriet.

Zwielichtiges Manövrieren

Die Anklageschrift stellt vor allem Zahlungen über gut 30 Millionen Euro in den Mittelpunkt, die von Januar 2001 bis November 2006 von Siemens an Schelsky geflossen sein sollen. Die entsprechenden Rechnungen gingen nicht etwa an die Adresse Siemens, sondern an die Privatadresse Feldmayers; eines von vielen Indizien dafür, dass sich die Beteiligten sehr wohl bewusst waren, in einer äußerst undurchsichtigen Grauzone zu handeln.

Untreue, Beihilfe, Betrug ...

Die Zahlungen, ihre schwer belegbaren Gegenleistungen sowie die Art und Weise, in der sie flossen, begründen laut Anklage den Vorwurf der Untreue beziehungsweise der Beihilfe zu dieser: Siemens beziehungsweise seine Besitzer (also die Aktionäre) zahlten ungefragt über 30 Millionen Euro, für die sie keinen wirtschaftlich nachweisbaren Vorteil erhielten. Dass Schelsky obendrein erhebliche Summen für private Zwecke und Sportförderung abzweigte, erfüllt möglicherweise obendrein den Tatbestand des Betrugs.

... Steuervergehen, und Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz

Neben gravierenden Steuervergehen im Zusammenhang mit dem warmen Geldregen, den Siemens über Schelsky ausgoss, nennt die Anklage auch einen Verstoß gegen

undefined§119 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes

. Dieser sieht Haft- oder Geldstrafen vor, wenn Betriebsratswahlen [unter anderem] "durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflusst" werden; die Zahlungen zur Stärkung der AUB, so der einleuchtende Vorwurf, stellten eine solche Einflussnahme dar. Die IG Metall hatte bereits im Frühjahr 2007 Strafantrag wegen eines solchen Verstoßes gestellt.

Im Verlauf des vorerst für 24 Tage angesetzten Verfahrens dürften etliche weitere Details der unrühmlichen Vorgänge ans Licht geraten - man darf gespannt sein. Und, so sehr der IG Metall und ihren Betriebsräten grundsätzlich an korrekter Altersvorsorge gelegen ist, sollte Siemens vielleicht prüfen, ob man Schelsky wirklich ab Oktober 2008 eine Betriebsrente von 3.770 Euro im Monat zahlen will, wie es die

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am Sonntag meldete.