Siemens Dialog
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12.05.2024, 00:05 Uhr

Schelsky gibt die gekränkte Unschuld

  • 30.09.2008
  • Allgemein

Am Dienstag äußerte sich erstmals seit Beginn des AUB-Prozesses Wilhelm Schelsky zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Offensichtlich setzt er auf Naivität: Man habe ein "demokratisches Gegengewicht" zur IG Metall schaffen wollen und "Pluralität in den Betriebsräten", alles ganz korrekt und im Sinne des von Siemens erteilten Auftrags.

Auftrag ja, Millionen ja ...

Schelsky selbst blieb stumm und ließ seinen Anwalt Jürgen Lubojanski sprechen. Ja, es habe einen Auftrag Siemens' zum Aufbau der AUB gegeben, und seine Aufgabe sei es gewesen, ein "demokratisches Gegengewicht" zur IG Metall zu schaffen. Dass diese Aufgabe so zwangsläufig wie untrennbar mit massiver Einflussnahme auf Betriebsräte beziehungsweise der Wahl verbunden sein muss, weist er, wohl eingedenk drohender Kollisionen mit §119 des Betriebsverfassungsgesetzes, strikt zurück: Einfluss auf Betriebsratswahlen oder Entscheidungen einzelner Betriebsräte habe es nicht gegeben.

... Einflussnahme nein?

Wie zuvor schon Johannes Feldmayer überlässt Schelsky es also den Richtern, sich mit dem offenkundigen Widerspruch auseinanderzusetzen: Wie baut man eine Betriebsräteorganisation (zur Erinnerung: ursprünglich stand 'AUB' für 'Arbeitgemeinschaft unabhängiger Betriebsräte') auf, ohne Betriebsratswahlen und Betriebsräte zu beeinflussen?

"Absurder" Vorwurf

Im selben Tenor erklärt Schelsky die unübersehbare Geheimniskrämerei bei der Kungelei mit Siemens. Die Förderung der AUB sei nur deshalb nicht schriftlich festgehalten worden, damit man sich nicht den "Anfeindungen" der IG Metall aussetze; es sei nicht darum gegangen, etwas vor Siemens-Kontrollgremien zu verschleiern. Damit ist dann aus seiner Sicht auch gleich der Anklagevorwurf der Beihilfe zur Untreue abgehakt. Das Geld sei abmachungsgemäß verwendet worden, von Rechenschaft sei nie die Rede gewesen, und für Siemens kein Schaden entstanden - findet zumindest er: "Mein Mandant empfindet den Vorwurf, die Siemens AG betrogen zu haben, als absurd", erklärte der Anwalt.

"Teilweise Steuern hinterzogen"

Immerhin bestreitet der selbsternannte Kämpfer für Demokratie und Pluralismus in der Betriebsratsarbeit nicht alles rundweg. Privat habe er "teilweise Steuern hinterzogen", wobei er aber im selben Atemzug betont, auf die steuerliche oder buchhalterische Bearbeitung der AUB-Zahlungen bei Siemens habe er nie Einfluss gehabt.

Keiner Schuld bewusst

Das vorläufige Fazit der Verteidigung lautet also: Die Vorwürfe der Beihilfe zur Untreue, des Betrugs und der betrieblichen Steuerhinterziehung sind ungerechtfertigt; "mein Mandant hat die Aufgabe erfüllt, wie sie ihm gestellt wurde". Man darf gespannt sein, was im weiteren Verlauf der Verhandlung noch an ähnlichen Kuriositäten verkündet werden wird.

Ginge es nicht um einen Skandal mit handfesten, wenn auch nicht in jeder Hinsicht einfach zu beziffernden Folgen - inwiefern die korrekte Interessenvertretung über Jahre gelitten hat, wird man wohl niemals klären können -, wäre es beinah amüsant, das Hakenschlagen der Beschuldigten zu verfolgen.