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28.04.2024, 18:04 Uhr

Zeugen belasten Neubürger

  • 08.10.2008
  • Allgemein

Im AUB-Prozess gegen Wilhelm Schelsky und Johannes Feldmayer fällt erneut ein Schatten des Verdachts auf Ex-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger. Bislang hatten Ermittlungen sowohl in der Korruptions- als auch in der AUB-Affäre keine stichhaltigen Verdachtsmomente gegen ihn ergeben; nun lassen Zeugenaussagen vermuten, dass er über die Beziehungen zur AUB informiert war.

Bereits im Januar 2007 hatten Ermittler der Münchner Staatsanwaltschaft Neubürger wegen einer möglichen Verwicklung in die Korruptionsaffäre unter die Lupe genommen. Dies blieb allerdings ebenso ergebnislos wie die später eingeleitete Untersuchung der Staatsanwaltschaft Nürnberg im Zusammenhang mit der AUB-Affäre, in deren Zuge im September 2007 unter anderem seine Privatwohnung durchsucht wurde (siehe AUB-Ermittlungen gegen Ex-CFO).

Wo sich bisher keine ausreichend belastenden Indizien für konkrete Vorwürfe fanden, erschließt möglicherweise eine Zeugenaussage im laufenden AUB-Prozess eine neue Spur. Die Siemens-Tochter GVD Leasing (Gesellschaft für die Vermietung von Datenverarbeitungsanlagen) tauchte bereits früher im Zusammenhang mit der AUB auf; dabei ging es um den Verdacht, sie habe zum Schein Mitarbeiter beschäftigt, die tatsächlich in Geschäftsstellen der AUB arbeiteten (siehe Bezahlt von Siemens, beschäftigt bei der AUB?). Unbestritten ist mittlerweile, dass die GVD ein Kanal zwischen Siemens und AUB war, durch den Geld für angebliche Beraterleistungen floss.

"Völliges Einverständnis"?

Ein früherer Geschäftsführer der GVD sagte am Dienstag aus, er habe Ende der neunziger Jahre Bedenken bekommen, drastisch steigende Rechnungen Schelskys an die Firma ohne weiteres zu bezahlen. Als er auch noch eine Vereinbarung unterschrieben sollte, die dem AUB-Chef 1,2 Millionen Mark pro Quartal garantierte, zögerte er. Ende April 1999 habe er allerdings einen Brief an seine Privatadresse erhalten, in dem ihm der damalige Sprecher der leitenden Angestellten mitteilte, es habe im September 1998 "mit Herrn Neubürger ein ausführliches Gespräch gegeben". Diese Gespräch habe "völliges Einverständnis seitens Herrn Neubürger für die Beibehaltung der bisherigen Form" ergeben.

"Der Pate wusste Bescheid"

Verständlich, dass der damalige GVD-Chef dies als Aufforderung von oben interpretierte, Schelskys Scheinrechnungen weiter ohne viele Fragen zu begleichen: "Für mich war die Sache damit okay. Schließlich hatte ich jetzt schriftlich, dass der Pate Bescheid wusste." Mit der abenteuerlichen Formulierung "der Pate", das bestätigte der Zeuge auf Nachfrage, sei Neubürger gemeint.

Vielsagende Formulierungen

Ein anderer Zeuge untermauert den Verdacht auf Neubürgers Mitwisserschaft weiter. Schelsky habe ihn gebeten, ihn mit Neubürger bekannt zu machen; er leitete daraufhin ein Treffen ein. Dabei habe man keine Einzelheiten der Beziehungen zwischen Siemens und AUB erörtert, wohl aber seien vielsagende Formulierungen gefallen: "Ich weiß Bescheid" [...] "Es bleibt alles beim Alten."

Sollte sich der aus diesen Aussagen entstehende Verdacht erhärten, könnte sich daraus die erste wirklich bemerkenswerte Folge des AUB-Prozesses ergeben. Neubürger, bislang unbeschadet durch die Turbulenzen gelangt, gehörte bis zu seiner überraschenden Abwendung von Siemens als Zentralvorstand und CFO zur obersten Führungselite; damit könnte die Affäre erneut ein Stück näher an Heinrich von Pierer heranrücken.