Siemens Dialog
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27.04.2024, 08:04 Uhr

"Abkehr von der Gier-Wirtschaft"

  • 05.03.2009
  • Allgemein

Bei einer Veranstaltung des Betriebsrates Siemens SD in Berlin stellte der erste IG Metall-Vorsitzende Berthold Huber in Anwesenheit von Peter Löscher die Position der IG Metall zur Wirtschaftskrise dar. Auf Siemens bezogen betonte er die Bedeutung der 2008 vereinbarten Standort- und Beschäftigungssicherung; Löscher bestätigte, Siemens stehe zu dieser Vereinbarung und seiner grundsätzlichen Verantwortung für den Standort Deutschland.

Berthold Huber und Peter Löscher hatten vor der Veranstaltung gemeinsam das Dynamowerk besichtigt, das wegen seiner erfolgreichen Verbindung von Entwicklung und Fertigung Vorbildcharakter hat. Weit weniger gut stellt sich bekanntlich die wirtschaftliche Gesamtlage dar, wie Huber vor rund Siemens-Mitarbeitern aus allen Berliner Standorten als Frage formulierte: "Bricht alles zusammen, oder gelingt es in gemeinsamen Anstrengungen aller Hauptakteure, den Absturz der Wirtschaft zu verhindern?"

Betriebsräte und IG Metall entscheidender Stabilitätsfaktor bei Siemens

Für Siemens erinnerte er in diesem Zusammenhang an die Standort- und Beschäftigungssicherung bis Herbst 2010: "Diese Vereinbarung ist im Lichte der aktuellen ökonomischen Verwerfungen Gold wert." Gesamtbetriebsrat und IG Metall hatten sie mit Unterstützung der Belegschaften im Sommer 2008 durchsetzen können und bewähren sich damit einmal mehr als entscheidender Stabilitätsfaktor im Unternehmen. Als Schutz erweist sich derzeit auch ihr steter Einsatz für Siemens' breites Portfolio, das in der Krise einen entscheidenden Vorteil gegenüber Unternehmen mit engem Produktions-Spektrum darstellt.

Politische und unternehmensbezogene Maßnahmen

So wichtig unternehmensbezogene Lösungen für die Betroffenen sind, erklärte Huber weiter, so dringlich ist die Stabilisierung der gesamten Volkswirtschaft. Wie diese zu erreichen ist, hat die IG Metall in ihrem 7-Punkte-Programm formuliert, in dessen Mittelpunkt der Verzicht auf Entlassungen steht. Genau wie eine pauschale Verschiebung der zweiten Tariferhöhung würde dies über ausfallende Kaufkraft den konjunkturellen Abwärtstrend zusätzlich beschleunigen.

Auftragseinbrüche, wie sie auch Siemens zu spüren bekommt, müssen daher bevorzugt durch Kurzarbeit in Verbindung mit Qualifizierung überbrückt werden. Bei Siemens definiert eine gerade geschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung beschäftigungssichernde Instrumente. Die Politik hat, wie von der IG Metall gefordert, mit der Erhöhung des Zeitraums für Kurzarbeitergeld die Bedingungen verbessert. Sie ist nun gefordert, den Zusammenbruch des Finanzsystems und großer Schlüsselunternehmen zu verhindern, so Huber: "Dazu muss der Staat viel Geld in die Hand nehmen und schnell und zielgerichtet einsetzen."

Tiefgreifendere Veränderungen sind allerdings nach seiner Auffassung nötig, um die aktuellen Probleme und ihre Ursachen an der Wurzel zu packen: "Eine Abkehr von der Gier-Wirtschaft, klare Regeln für die Finanzmärkte, mehr Mitbestimmung und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften."

Löscher: "Keine Kündigungen in 2009"

Peter Löscher bekräftigte in seiner Ansprache, dass auch Siemens an der Standort- und Beschäftigungssicherung festhält und bekräftigte: "Keine Kündigungen in 2009." Zugleich betonte er die Verantwortung Siemens' für den Standort Deutschland und erklärte, er setze wo erforderlich auf Kurzarbeit und konzerninternen Personalaustausch.

Auf Nachfrage von TeilnehmerInnen der Versammlung äußerte sich der Vorstandsvorsitzende zu weiteren Themen. So will er trotz der Krise an Einstellung und Ausbildung von Auszubildenden festhalten; auch das Bekenntnis zum Industry-Bereich Mobility bestätigte er erneut.

Leiharbeit: Rahmenvereinbarung im Visier

Wie bereits am Montag in Erlangen nahm er auch zur Leiharbeit bei Siemens Stellung, einem Thema, das aus Sicht der Betriebsräte und der IG Metall dringend einer Regelung bedarf. Löscher kündigte seine Bereitchaft zu einer Vereinbarung mit der Arbeitnehmerseite an.

Das grundlegende Ziel einer solchen Vereinbarung ist aus Sicht der IG Metall und der Betriebsräte "Equal Pay" und "Equal Treatment", also gleiche Bezahlung und gleiche Behandlung , sowie der Schutz der Belegschaften vor dem schleichenden Austausch von Stammarbeitsplätzen gegen Leiharbeit.

Um der Komplexität des Themas und von Standort zu Standort variierender Bedingungen vor der Aufnahme der Verhandlungen Rechnung zu tragen, wird die Leiharbeit derzeit in den Verbindungskreisen des Gesamtbetriebsrats intensiv diskutiert. Olaf Bolduan, Leiter der zuständigen Projektgruppe des Gesamtbetriebsrats und Betriebsratsvorsitzender im Dynamowerk Berlin, ist vor diesem Hintergrund überzeugt: "Wir gehen gut vorbereitet in die Debatte."