Siemens Dialog
https://www.dialog-igmetall.de/nachrichten/sis-ausgliederung-verhindern
27.04.2024, 06:04 Uhr

SIS: "Ausgliederung verhindern"

  • 14.01.2010
  • Konzern

Bei Siemens IT Solutions and Services in Paderborn protestieren hunderte Beschäftigte seit Wochen mit "Montagsspaziergängen" auf dem Betriebsgelände gegen ihre geplante Ausgliederung und ungewisse Zukunft. Der Betriebsratsvorsitzende Walter Wiechers erklärt im Interview, worum es ihnen - und wohl auch den meisten SIS-Kolleginnen und -Kollegen anderer Standorte - geht.

Walter Wiechers auf der ersten Protestkundgebung<br>bei SIS Paderborn am 14.12.2009.

Was sind die Ziele Eures Protestes?

Das Ziel ist es, die Ausgliederung zu verhindern. Von dem gehen wir auch nicht ab.

Ihr protestiert gegen die Ausgliederung aus dem Siemens-Konzern - Wäre eine "Selbstständigkeit" nicht besser, wenn Euch die "Mutter" doch gar nicht mehr haben will?

Die Selbstständigkeit hatten wir schon; irgendwie hat das nicht geklappt. Daher ist 2007 entschieden worden, die SIS in die Siemens AG zu integrieren. Auf diese Weise sollte die öffentliche Diskussion, wann denn die SIS an wen verkauft wird, beendet werden - eine Diskussion, die potentielle Kunden in die Flucht treibt und bisherige Kunden verunsichert. Die Integration in die Siemens AG sollte, und das hat sie auch, diese Diskussion beenden und somit im Endeffekt die Beschäftigung sichern.

Als Preis für die Beschäftigungssicherung haben die Beschäftigten Einkommenseinbußen und Arbeitszeitverlängerung hingenommen. Die vereinbarte Gleichbehandlung des Tarif- und des ÜT-Kreises findet leider nicht statt. Im Tarif-Kreis betrugt die Einkommenseinbuße im letzten Jahr 13,4 Prozent des Jahreszieleinkommens; im ÜT-Kreis war die Einbuße auf 5 Prozent begrenzt. Eine Gleichbehandlung ist dies offensichtlich nicht. Aber zurück zur Frage. Die Gründe, die damals für eine Integration sprachen, gelten immer noch. Deshalb ist die Selbstständigkeit der SIS der falsche Weg.

Auf der Bilanzpressekonferenz antwortete CFO Joe Kaeser auf eine ähnliche Frage "Diesmal machen wir das richtig". Was hat er damit gemeint?

Was er gemeint hat, weiß ich nicht. Jedoch lässt die Vorstellung im Wirtschaftsausschuss ahnen, was er gemeint hat. Er und die SIS-Granden sehen die Lösung in einer weiteren Gehaltsreduktion und einem regelmäßigen Personalabbau von ca. 1.100 Beschäftigten pro Jahr. Das sind die alten Ideen, mit denen die SIS damals schon die Probleme nicht lösen konnte. Diese Ideen werden auch jetzt nichts bringen. Sie schaffen nur Verunsicherung und machen die Beschäftigten krank. Diejenigen, die diese Ideen haben, sichern sich ihre Gehälter zum Beispiel durch die obengenannte Verlustbegrenzung; vermutlich haben sie sich solche BAG-Ziele definiert, dass das Jahreszieleinkommen mehr als 100 Prozent ist. Der einfache Tarif-Surfer im ÜT-Kreises profitiert auf diese Weise von gewissen Machenschaften.

Was sind denn die Probleme der SIS?

Kurz und knapp eine unvollständige Antwort. Unproduktive Prozesse, wie zum Besipiel die Verwaltung der Kurzarbeit, die Unsummen in Form von Arbeitszeit verschlingt, ohne, dass sie etwas einbringt. Eine beschäftigungssichernde Maßnahme für ansonsten sich langweilende Führungskräfte?!

Das wesentliche Problem ist der Vertrauensverlust und die Demotivation der Beschäftigten infolge mangelnder Wertschätzung; mittelfristig gesehen, macht dies krank. Solange dieses Problem nicht als solches von der SIS-Spitze anerkannt und behandelt wird, wird die SIS auf keinen grünen Zweig kommen.

In Paderborn demonstrieren seit Wochen regelmäßig einige hundert Kolleginnen und Kollegen. Hat der Protest schon etwas gebracht?

Ja und Nein. Es hat aufgrund der Paderborner Montagsspaziergänge noch niemand entschieden, die SIS nicht auszugliedern. Das wissen auch die Teilnehmer. In den Köpfen und in den Herzen hat es jedoch viel bewirkt. Es ist den Gesichtern anzusehen - diese  sind fröhlich und gelöst. Die Spaziergänge machen den Teilnehmern Spaß. Sie schaffen Vertrauen in die eigene Kraft und in die Kraft der Gemeinschaft - die Erfolgsfaktoren für die Gewerkschaften: Zusammenhalten und zusammen Handeln. Die Spaziergänge tragen - trotz der Situation - auch zu einer Identifikation mit der SIS und somit zum künftigen Erfolg der SIS bei.

Wie wollt Ihr die erreichen, die sich bisher den Protesten noch nicht angeschlossen haben?

Das kommt automatisch. Die positive Stimmung wird sich auf die übertragen, die bisher im Büro geblieben sind. Es werden immer mehr werden. Die anderen SIS-Standorte werden sich anschließen und bis Ostern werden es Tausende SIS-Beschäftigte sein, die ihren Montagsspaziergang machen. Die Wahrnehmung in den Medien ist nur eine Frage der Zeit.