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27.04.2024, 16:04 Uhr

Unreguliert, unterbezahlt, unsicher

  • 07.02.2011
  • Allgemein

Der DGB Bayern stellte vergangene Woche seine Studie "Leiharbeit in Bayern: Unreguliert - Unterbezahlt - Unsicher" der Öffentlichkeit vor. Der Titel nimmt das Ergebnis der Untersuchung vorweg, die sich vermutlich auch auf andere Regionen übertragen lässt: Die Situation ist in manchen Bereichen noch gravierender, als im Vorfeld angenommen worden war.

Arbeitnehmer zweiter Klasse

"Die systematische finanzielle Schlechterstellung von Leiharbeitern zeigt es deutlich: Durch Leiharbeit soll ein zweites, niedrigeres Entlohnungsniveau geschaffen und ein Arbeitnehmer zweiter Klasse etabliert werden", kritisierte der bayerische DGB-Vorsitzende Matthias Jena bei der Vorstellung des Reports in München.

Niedriglohn auf Kosten der Steuerzahler

Der Studie zufolge sind das Ausmaß der Leiharbeit und die Benachteiligung der Betroffenen noch gravierender als bisher angenommen. In Bayern arbeiten demnach vier von fünf Leiharbeitern für Niedriglöhne; sie sind siebenmal so häufig wie andere sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zusätzlich auf Hartz IV angewiesen, also sogenannte "Aufstocker", was die öffentliche Hand allein in Bayern rund 70 Mio Euro im Jahr kostet.

Mythos Beschäftigungssprungbrett

Auch mit der oft vorgeschobenen "Brücke in dauerhafte Beschäftigung" und dem sogenannten "Jobmotor" ist es in der Praxis schlecht bestellt. Statt dessen verstärkt die Leiharbeit in Bayern die Schwankungen am Arbeitsmarkt und verdrängt in zunehmendem Maß reguläre Arbeitsplätze. In der Wirtschaftskrise 2008/09 wurden in Bayern fast ausschließlich Leiharbeiter arbeitslos. Während die Zahl "normaler" sozialversicherungspflichtig Beschäftigter weitgehend konstant blieb, wurde im gleichen Zeitraum jeder dritte Leiharbeiter entlassen.

Im Aufschwung hat die Zahl der Leiharbeiter seitdem das Vorkrisenniveau nicht nur wieder eingeholt, sondern deutlich überschritten. Die offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit rechnet in Bayern mit 115.000 Leiharbeitern. Datenabgleiche und Berechnungen des IMU Instituts, das die Studie im Auftrag des DGB Bayern durchgeführt hat, legen allerdings eklatante Schwächen in dieser Statistik offen. Das Institut und der DGB Bayern gehen auf Grundlage ihrer Berechnungen eher von 200.000 Leiharbeitern in Bayern aus.

Politik muss handeln

Jena forderte vor diesem Hintergrund die Politik auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen und dem Lohndumping durch Leiharbeit einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben: "Wir fordern gleiches Geld für gleiche Arbeit und gleiche Behandlung von Leiharbeitern ab dem ersten Tag der Beschäftigung. Und wir fordern einen Mindestlohn von 8,50 Euro für die verleihfreien Zeiten."

Jena sieht vor allem die Union und Ministerpräsident Horst Seehofer in der Pflicht: "CDU und CSU müssen endlich Handlungsfähigkeit beweisen. Es kann nicht sein, dass sich die Bundeskanzlerin und die mit Abstand größere Regierungsfraktion ständig von den Arbeitgebern und ihren parteipolitischen Handlangern auf der Nase herumtanzen lassen."